Kommunale Spitzenverbände beklagen "Willkür" der Länder
Berlin: (hib/VOM) Heftige und deutliche Kritik am Verhalten der Länder im Zuge der Verhandlungen über die Fortführung des Solidarpaktes haben Vertreter der kommunalen Spitzenverbände am Freitagmorgen im Sonderausschuss "Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz" geübt. Die gleichlautenden Entwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ( 14/7063) und der Bundesregierung ( 14/7256) für ein Solidarpaktfortführungsgesetz enthielten in einigen Punkten Regelungen, die nicht akzeptiert werden könnten. Nach dem Gesetzentwurf sei geplant, die westdeutschen Kommunen an der Finanzierung des "Solidarpakt II" für den Zeitraum von 2005 bis 2019 durch die um 29 Prozentpunkte erhöhte Gewerbesteuerumlage zu beteiligen. Angemessen gewesen wäre ein Erhöhung um lediglich 16 Prozentpunkte, machte die Vertreterin des Deutschen Städtetages ihrem Ärger Luft. Dieser Vorgang, die Gewerbesteuerumlage für den gesamten Zeitraum in dieser Höhe beizubehalten, stehe in der "schlechten Tradition der Beteiligung der Kommunen an der Finanzierung der deutschen Einheit". Dem Bundestag könne es nicht egal sein, in welch kritische Situation die Städte in den nächsten Jahren gerieten. Bis heute hätten die Länder keine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage geliefert. Der Deutsche Städtetag sprach in diesem Zusammenhang von einem "Raubzug in die Kassen der Kommunen" und einem "skandalösen Vorgang". Er appellierte an die Abgeordneten, ihrer Gesamtverantwortung gerecht zu werden und zu überlegen, ob ein solcher, ausschließlich aus der Finanznot der Länder begründeter "Griff in die kommunalen Kassen" mitgetragen werden könne. Die Spitzenverbände hätten vor kurzem in einem Brief an Bundestagspräsident Thierse von einem "beispiellosen Akt der Willkür" gesprochen. Auch der Deutsche Landkreistag sprach sich dafür aus, die Solidarpaktumlage zumindest degressiv auszugestalten. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund appellierte an den Ausschuss, sich des Themas anzunehmen, da er sich in einer Art "Schiedsrichterrolle" befinde. Zumindest sollten die offensichtlichen Unklarheiten von Länderseite soweit wie möglich aufgeklärt werden. Wenn es zu einer Gemeindefinanzreform komme, müssten diese "Schieflagen" der Vergangenheit ausgeräumt werden, hieß es weiter.
Die Sprecher der Fraktionen machten deutlich, dass das Parlament in dieser Frage keine "Schiedsrichterrolle" übernehmen könne. Die Sozialdemokraten sprachen von einem verfassungsrechtlichen Grundlagenproblem. Es handele sich bei dem Gesetzentwurf um Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, bei denen das Parlament und die Kommunen sich in einer Statistenrolle befänden. Der Bund müsse sich mit den Ländern verständigen, um eine tragfähige Lösung zu bekommen. Der Gesetzgeber könne allenfalls die Erwartung äußern, dass es zu Neufestsetzungen kommt, wenn sich die Berechnungsgrundlagen sich zwischen 2005 und 2019 verändern. Mehr als ein solches "Signal" dürfe aber nicht erwartet werden. Die Sorgen und Nöte der Kommunen nehme man im übrigen ernst.
Die CDU/CSU beklagte, dass das Bundesfinanzministerium die für die parlamentarische Beratung erforderlichen Berechnungsgrundlagen nicht vorlege. In letzter Zeit seien Lasten "kommunalfeindlich" von oben nach unten verteilt worden, etwa die Erlöse aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen. Von einer "kommunalfreundlichen Regierungspolitik" könne man nicht sprechen. Die Bundesregierung machte in der Sitzung deutlich, dass sie für die von der Opposition gewünschten Zahlen nicht verfüge, um die Angemessenheit der 29 Prozentpunkte nachvollziehen zu können.
Bündnis 90/Die Grünen kündigten an, dass im kommenden Frühjahr eine Kommission zur Gemeindefinanzreform ihre Arbeit aufnehmen werde, was vom Deutschen Städtetag mit Erleichterung aufgenommen wurde. Die Fraktion räumte ein, dass sich die Länder mit dem Bund zu Lasten der Gemeinden verbündeten. Auch sei es kontraproduktiv, wenn die Kommunen unter dem Druck der Ereignisse nun ihre Investitionen massiv reduzierten. Auch die PDS sprach sich dafür aus, die Finanzverfassung neu zu ordnen. Es stelle sich langfristig die Frage, ob es richtig sei, die Kommunen den Ländern zuzuordnen. Selbst an eine eigene "kommunale Kammer" wäre zu denken.