Stolpe übergibt Betreibervertrag zur Lkw-Maut
Berlin: (hib/POT) Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) hat am Mittwochmittag in einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses den Ausschussmitgliedern ein Exemplar des zwischen der Bundesregierung und dem Konsortium Toll Collect geschlossenen Betreibervertrages zur Lkw-Maut übergeben. Laut Stolpe handelt es sich dabei um den "Kernvertrag", in dem, wie vom Ausschuss gefordert, alle haushaltsrelevanten Inhalte enthalten sind. In Bezug auf die Vertragsanlagen im Gesamtumfang von 17 000 Seiten und die Ausschreibungsunterlagen sagte der Minister zu, dass diese gegenüber dem Ausschussvorsitzenden und den Obleuten der Fraktionen offen gelegt werden. Ebenfalls transparent gemacht werden soll, bei welchen Anlagebestandteilen das Betreiberkonsortium aus patentrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Gründen auf Geheimhaltung besteht.
In seinen Erläuterungen zum vorgelegten Vertrag betonte der Bundesverkehrsminister, dass dem Betreiberkonsortium die Notwendigkeit einer Vertragsanpassung bei einem Gespräch am 5. Oktober verdeutlicht wurde. Ansatzpunkte für eine Vertragsverletzung sehe das Ministerium hinsichtlich der Nicht-Erfüllung der Leistungstermine und der gelieferten elektronischen Mautgeräte sowie der Verletzung von Informationspflichten durch Toll Collect in Bezug auf die eingetretenen technischen Probleme.
Die Union kritisierte in einer ersten Aussprache zum vorgelegten Vertrag insbesondere die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafen. Ab 1. Dezember bestehe ein Regressanspruch in Höhe von 7,5 Millionen pro Monat, während der Bund nach Regierungsangaben monatlich Einnahmeausfälle von 156 Millionen Euro zu beklagen habe. Vor diesem Hintergrund interessierte sich die Fraktion für die Rechtsqualität des mit dem Betreiberkonsortium am 30. Juli geschlossenen Eckpunktepapiers, in dem Toll Collect einen weiteren Monat von der Haftung frei gestellt worden sei. Laut CDU/CSU ist mit einem Start des Mautsystems nicht vor Juli nächsten Jahres zu rechnen, wodurch sich der Schaden auf 1,8 Milliarden Euro belaufen werde. Die FDP warf dem Minister vor, der Vertrag sei "kein Glanzstück deutscher Regierungskunst". Neben den Ausschreibungsunterlagen müsste auch das letzte Vertragsangebot von Toll Collect offen gelegt werden, um zu einer endgültigen Beurteilung der Haftungsfragen zu kommen.
Die SPD begrüßte, dass der Vertrag nun endlich auf dem Tisch liege. Dies könne zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. Von entscheidender Bedeutung für eine Beurteilung des Vertrages sei eine genaue Prüfung der im Vertrag vereinbarten Risikoverteilung zwischen Bund und Betreiberkonsortium. Bei Public Private Partnership-Projekten dürften solche Risiken nicht einseitig bei der öffentlichen Hand liegen. Bündnis 90/Die Grünen wollten wissen, ob eine verschuldensabhängige Haftung im Vertrag ausdrücklich ausgeschlossen sei und ob Medienberichte zutreffen, wonach in den Ausschreibungsunterlagen eine Haftung des Betreibers in unbeschränkter Höhe ab Betriebsbeginn vorgesehen gewesen sei.
Der Bundesverkehrsminister betonte, dass aus seiner Sicht die Geschäftsgrundlage für das Eckpunktepapier entfallen sei, da der dort vereinbarte Starttermin für das Mautsystem am 2. November von Toll Collect nicht eingehalten worden sei. Es habe daher keine Rechtsverbindlichkeit, sondern enthalte eine Auflistung von Themen, die bei der nunmehr notwendig gewordenen Vertragsanpassung berücksichtigt werden müssen. In den Ausschreibungsunterlagen sei eine Haftung des Betreibers in unbeschränkter Höhe ab Betriebsbeginn vorgesehen gewesen. Keiner der Bewerber habe sich jedoch in der Lage gesehen, auf eine solch umfassende Forderung einzugehen, weshalb im Vertrag eine andere Regelung getroffen worden sei, so Stolpe weiter.