Prozesskostenrisiko von geschädigten Kapitalanlegern senken
Berlin: (hib/BOB) Die Einführung eines Kapitalanleger-Musterverfahren sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung ( 15/5091) vor. Wie die Regierung erläutert, ist es Ziel der Vorlage, eine in verschiedenen Prozessen gestellte Musterfrage einheitlich mit Breitenwirkung klären zu lassen. Voraussetzung hierfür sei, dass mindestens zehn gleichgerichtete Anträge zur Klärung derselben Streit entscheidenden Musterfrage gestellt und in einem einzurichtenden Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemacht wurden. Seien dieses Voraussetzungen gegeben, hole das Ausgangsgericht einen Musterentscheid beim übergeordneten Oberlandesgericht ein. Dann erfolge das Musterverfahren. In einem zweiten Abschnitt werde anschließend auf der Grundlage des Musterentscheids der individuelle Rechtsstreit des einzelnen Kapitalanlegers entschieden.
Zur Begründung macht die Bundesregierung deutlich, erlittene Schäden am Kapitalmarkt stünden häufig in der Praxis in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Aufwand. Geschädigte hätten keinerlei Interesse daran, ihren an sich bestehenden Anspruch auch gerichtlich durchzusetzen. Denn in jedem einzelnen Rechtsstreit seien meist aufwändige Beweisaufnahmen mit teuren Sachverständigengutachten erforderlich, um die komplexen kapitalmarktrechtlichen Fragen zu klären. Das könne dazu führen, dass die Kapitalanleger sich von einer Klage abhalten ließen. Zudem biete die Zivilprozessordnung zur kollektiven Durchsetzung gleichgerichteter Gläubigerinteressen, insbesondere bei einer Vielzahl von Geschädigten, keine hinreichenden Möglichkeiten an. Mit der Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren werde das Prozesskostenrisiko der geschädigten Kapitalanleger jetzt gesenkt.
Der Bundesrat hat am 18. Februar gebeten grundsätzlich zu prüfen, wie die Problematik der massenhaften Durchsetzung gleichartiger Ansprüche in sachgerechter Weise bewältigt werden kann. Ferner macht er auf die Frage aufmerksam, wie die von dem Gesetzentwurf verfolgten Ziele "Rechtsschutzverbesserung zu Gunsten der Kapitalanleger" einerseits und "Justizentlastung" anderseits in ausgewogener Weise verwirklicht werden können. Zur Begründung führt er an, das Anliegen, die Effizienz des Kapitalmarktes und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland durch Verbesserung des effektiven Rechtsschutzes des einzelnen Kapitalanlegers zu steigern, werde grundsätzlich geteilt. Die Umsetzung dieses Anliegens durch den Gesetzentwurf lasse allerdings die Interessen der Länder und der Allgemeinheit weitgehend außer Betracht.
Die Bundesregierung erwidert, die derzeit anhängigen Prospekthaftungsklagen hätten gezeigt, dass die hergebrachten Bündelungsmöglichkeiten nicht genügen, um einen effizienten Rechtsschutz bei Streuschäden im Bereich des Kapitalmarkts zu gewährleisten. Die Zivilprozessordnung müsse daher durch ein kollektives Rechtsschutzinstrument ergänzt und erweitert werden. Mit dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz halte Deutschland Anschluss an die Entwicklung in anderen Staaten der Europäischen Union.