Zeuge: "Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt reagierten zu spät"
Berlin: (hib/CHE) Das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesinnenministerium haben auf Anfragen der Kölner Staatsanwaltschaft viel zu spät reagiert, lautete der Vorwurf des Kölner Oberstaatsanwaltes Egbert Bülles. Dieser war am Donnerstagnachmittag als Zeuge vor den Visa-Untersuchungsausschuss geladen, um über Einzelheiten des Kölner Schleuserprozesses von 2003/2004 zu berichten. Erst nach mehrmaligen Bitten und fünf Tage vor der Urteilsverkündung seien die angeforderten Unterlagen des Innenministeriums eingetroffen, sagte Bülles weiter. Somit hätten sie für den Ausgang des Verfahrens keine bedeutende Rolle mehr spielen können, was aber, ergänzte der Staatsanwalt, nach heutigem Kenntnisstand durchaus sinnvoll gewesen wäre. Auch der Volmer-Erlass sei ihm zunächst vorenthalten worden, obwohl er unter anderem in einem Brief vom September 2002 das Auswärtige Amt um entsprechende Erkenntnisse gebeten habe: "Ich kannte zu der Zeit zwar den Volmer-Erlass noch nicht. Aber ich habe ausdrücklich um Unterlagen gebeten, die möglicherweise erklären können, worauf die von uns untersuchten Schleuser-Fälle zurückzuführen sein könnten. Auf meine Frage, ob in den Ministerien entsprechende Kenntnisse vorliegen, bekam ich zunächst keine Antwort." Erst Ende November 2003 habe er zum Beispiel Akten des AA erhalten, die Hauptverhandlung habe aber schon im Februar 2003 begonnen.
Während der Befragung gab der Oberstaatsanwalt detailliert Auskunft über die Entwicklung der Ermittlungen. Dabei sei unter anderem deutlich geworden, dass die Stadt Köln eine erhebliche Mitverantwortung für die Schleuser-Machenschaften des Hauptangeklagten gehabt habe: " Die Kölner Bezirksämter haben in den meisten Fällen aus Personalmangel und Zeitmangel auf die Bonitätsprüfung verzichtet. Unser Angeklagter wusste genau, auf welchen Ämtern nicht geprüft wird und wo er deshalb keine Probleme hat, sich Verpflichtungserklärungen beglaubigen zu lassen." Versuche der Staatsanwaltschaft, auf die Stadt Köln einzuwirken, damit diese ihre Praxis bei der Erteilung dieser Verpflichtungserklärungen ändere, blieben zunächst erfolglos. In anderen Städten sei man in dieser Frage durchaus resoluter gewesen, fügte Bülles hinzu. In München etwa hätten die Behörden die Vorgänge strenger geprüft, weshalb der Angeklagte in dieser Stadt mit seinem Anliegen auch nicht erfolgreich war. Versucht habe er es zunächst, sagte der Zeuge.
Im Rahmen ihrer Untersuchungen fanden die Ermittler unter anderem heraus, dass sogar Obdachlose und Prostituierte solche Verpflichtungserklärungen unterschrieben haben. Ihnen hätte der Hauptangeklagte Geld oder Zigaretten für eine Unterschrift geboten, sagte Bülles weiter. Mit diesen Erklärungen seien Ukrainer schließlich nach Deutschland eingeladen worden und in Besitz eines Touristenvisums gekommen. Sowohl in Hamburg als auch auf dem so genannten Arbeiterstrich in Köln habe man ukrainische Staatsangehörige ermittelt, die mit Hilfe eines solches Visums in die Bundesrepublik gelangt seien, erklärte er. Bülles berichtete außerdem von Fernseh-Werbespots aus dem ukrainischen Fernsehen, in denen darauf verwiesen wurde, wie einfach man mit solchen Verpflichtungserklärungen nach Deutschland oder Portugal zum Arbeiten kommen könne.