Ausschuss für Arbeit und Soziales
Berlin: (hib/VOM) Nach Darstellung des Bundesministers für
Arbeit und Soziales, Franz Müntefering (SPD), gibt es in
Deutschland eine zunehmend hohe Zahl von so genannten Aufstockern,
deren Arbeitslohn durch Sozialtransfers ergänzt werden muss.
Müntefering nannte am Mittwochvormittag im Ausschuss für
Arbeit und Soziales einen Stundenlohn von 2,98 Euro, den er als
"sittenwidrig" bezeichnete. Löhne dürften nicht
sittenwidrig sein. Für die Bundesregierung gehe es darum,
Geringqualifizierten zu Arbeit zu verhelfen. Er sei vom Kabinett
beauftragt worden, eine Arbeitsgruppe einzurichten, die bis zum
Herbst Vorschläge für mehr Beschäftigung von
Geringqualifizierten erarbeiten soll. Dazu werde die
Einführung eines Kombilohnmodells geprüft.
Müntefering kündigte an, er werde die Arbeitsgruppe jetzt
noch nicht einrichten und bis zum Sommer eine "informelle Debatte"
führen. Die CDU/CSU-Fraktion empfahl darüber
nachzudenken, wie man diesen Personenkreis mit einem
Transferelement in eine Vollzeitbeschäftigung bringen kann. In
diesem Zusammenhang werde man auch darüber reden müssen,
was als Mindestlohn betrachtet werden muss, ehe das Transferelement
in Form eines staatlichen Zuschusses hinzukommt. Nach Auffassung
der SPD kann der Kombilohn nicht als "Wunderwaffe" angesehen
werden. Zu einem neuen Subventionsmoloch dürfe es nicht
kommen. Für Bündnis 90/Die Grünen ist die Tatsache,
dass immer mehr Arbeitnehmer ihren Lohn durch Sozialtransfers
aufstocken müssen, ein Hinweis darauf, dass die These von der
"Sozialhilfe-Falle" nicht stimmt. Die Leute wollten trotz zu
niedriger Löhne arbeiten. Die Linke fügte hinzu, das
Parlament müsse sich mit der Frage existenzsichernder
Löhne beschäftigen. Trotz tariflicher Lohnsteigerungen
sei bei den Löhnen eine negative Entwicklung eingetreten. Der
Minister stellte sich dem Ausschuss mit einer Erklärung
über die Arbeitsschwerpunkte seines Ministeriums in dieser
Wahlperiode vor. Am 1. April soll das Gesetz in Kraft treten, mit
dem unter anderem unter 25-jährige Jugendliche, die noch in
der Ausbildung sind, in die elterliche Bedarfsgemeinschaft
zurückgeholt werden können, was zu jährlichen
Einsparungen von rund 500 Millionen Euro führen soll. Für
Arbeitslosengeld II-Bezieher wird der Rentenversicherungsbeitrag ab
2007 von 78 auf 40 Euro monatlich gekürzt. Müntefering
kündigte ferner ein Optimierungsgesetz zum Zweiten
Sozialgesetzbuch an, das am 1. Juli in Kraft treten soll. Geplant
sind eine weitere Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs und eine
Verbesserung der Verwaltungspraxis. Ferner soll ein
Saison-Kurzarbeitergeld eingeführt werden. Die Bundesagentur
für Arbeit zahlt den Betroffenen von Dezember bis März 60
oder, bei mindestens einem Kind, 67 Prozent der pauschalierten
Nettoentgelt-Einbußen. Die Arbeitgeber müssten in dieser
Zeit nur die Sozialversicherungsbeiträge für ihre
Arbeitnehmer abführen. Davon könnten sie jedoch entlastet
werden, wenn sich die Tarifvertragsparteien auf eine entsprechende
Umlage einigen würden, so der Minister. Dann gäbe es
keinen finanziellen Anreiz mehr, Arbeitnehmer in den Wintermonaten
zu entlassen. Die bisher auf die Bauwirtschaft beschränkte
Winterbauförderung soll weiteren Branchen wie der
Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist
geplant, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf das
Gebäudereinigerhandwerk auszudehnen. Eine Rentenkürzung
solle es in dieser Legislaturperiode nicht geben. Müntefering
empfahl schließlich allen, eine Riester-Rente als
zusätzliche Altersvorsorge abzuschließen. Die
Riester-Rente müsse populär werden "wie das Bausparen".
Die Notwendigkeit einer grundlegenden Rentenreform sieht der
Minister in dieser Wahlperiode nicht, wie er auf eine Frage der
FDP-Fraktion erklärte. Die Fraktion hatte auf das strukturelle
Defizit der gesetzlichen Rentenversicherung von 3 bis 5 Milliarden
Euro hingewiesen und betont, für einen Abbau dieses Defizits
müsste sich die Zahl der Beitragszahler nachhaltig
erholen.