Massive Kritik am Gesundheitsfonds und am Zusatzbeitrag
Berlin: (hib/MPI) Bei der abschließenden Anhörung zur Gesundheitsreform haben die Sachverständigen kaum ein gutes Haar an der vorgesehenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gelassen. Der Chef des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, sagte am Dienstagmorgen im Gesundheitsausschuss, der im Gesetzentwurf der Koalition ( 16/3100) geplante Gesundheitsfonds sei "weder sachgerecht noch effektiv. Er ist überflüssig." Das, was der Fonds leisten solle, könne auch der bereits bestehende Risikostrukturausgleich (RSA) leisten, nämlich Nachteile auszugleichen, die sich durch die unterschiedliche Versichertenstruktur bei den einzelnen Krankenkassen ergeben. Alexander Gunkel von der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände betonte, der Fonds werde "nicht zu mehr Wirtschaftlichkeit" führen. Lediglich Rainer Daubenbüchel, Präsident des Bundesversicherungsamtes, bei dem der Fonds angesiedelt werden soll, äußerte die Erwartung, dass der Fonds zu "mehr Transparenz" führen werde. Jede Kasse könne künftig genau sehen, was sie wofür an Mitteln bekommt.
Das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Annelie Buntenbach, bemängelte, in dem geplanten Fonds sei angelegt, dass Kostensteigerungen künftig einseitig von den Versicherten über den Zusatzbeitrag zu tragen seien. Ahrens warnte, der Zusatzbeitrag werde eine "Jagd auf Gesunde und Gutverdienende" nach sich ziehen. Der frühere Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, forderte, der geplante morbiditätsorientierte RSA, der zusätzlich zu den bislang berücksichtigten Alters-, Geschlechts- und Einkommensunterschieden auch Differenzen bei den Krankheitswahrscheinlichkeiten ausgleichen soll, müsse so ausgestaltet werden, dass eine Kasse mit vielen Kranken und Schlechtverdienern nicht automatisch die höchsten Zusatzbeiträge haben müsste. Eine Krankenkasse, die mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommt, kann künftig einen Zusatzbeitrag erheben. Bis zu einer Höhe von 8 Euro monatlich soll dieser ohne Einkommensprüfung möglich sein. Im morbiditätsorientierten RSA sollen 50 bis 80 Krankheiten wie Diabetes und Herzkreislauferkrankungen berücksichtigt werden.
Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Eberhard Wille, sagte, die "Schwachstelle" der Reform sei, dass es bei der Finanzierung des Gesundheitswesens über Beiträge bleibe. Der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem ergänzte, das "Dilemma" des Fonds sei, dass in ihm die von der Union präferierte Gesundheitspauschale und die von der SPD angestrebte Bürgerversicherung zusammengefügt worden seien. Das Ergebnis stelle "keine Antwort auf das Einnahmeproblem" der GKV dar. Zudem fehle ein schlüssiges Konzept für den Wettbewerb auf der Ausgabenseite.
Die Sachverständigen äußerten übereinstimmend die Erwartung, dass der Krankenversicherungsbeitrag bis 2009 auf 15,3 oder 15,4 Prozent ansteigen wird. Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen, Doris Pfeiffer, hob hervor, dass in die Berechung dieses Beitrages allerdings weder die voraussichtlichen Mehrausgaben für die mit der Reform verbundenen Leistungsausweiterungen - etwa bei den Eltern-Kind-Kuren und der Palliativmedizin - noch die möglichen Kostensteigerungen bei Kliniken und Ärzten eingegangen seien.
Das Vorstandsmitglied des BKK Bundesverbandes, K.-Dieter Voß, kritisierte, dass künftig der Beitragssatz von der Bundesregierung festgelegt werde. Es bestehe die Gefahr, dass dieser "eher knapp als hinreichend kalkuliert" werde. Um Zusatzbeiträge zu vermeiden, könne es sein, dass die Kassen bei den Leistungen "einen knappen Kurs fahren". Der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Professor Christoph Fuchs, sprach in diesem Zusammenhang von "einem weiteren Schritt in Richtung staatlichem Gesundheitswesen". Die Beitragsfestsetzung durch die Regierung werde "in eine Wartelistenmedizin münden".