Bundestagspräsident Wolfgang Thierse legt Bericht über die Rechenschaftsberichte der Parteien für die Jahre 1996 bis 1998 vor
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erklärt für die Verwaltung des Deutschen Bundestages als mittelverwaltende Behörde für das Parteiengesetz:
1. Gemäß den gesetzlichen Vorschriften habe ich zum 1. Dezember 2000 über die vorläufige Festsetzung der Anteile der Parteien an der staatlichen Mitfinanzierung für das Jahr 2000 auf der Grundlage ihrer Rechenschaftsberichte für 1999 entschieden. Zugleich lege ich den mir vom Gesetz aufgetragenen Bericht über die Rechenschaftsberichte der Parteien für die Jahre 1996 bis 1998 sowie über die Entwicklung der Parteifinanzen vor.
2. Die für 1999 eingereichten Rechenschaftsberichte sind von den Wirtschaftsprüfern der Parteien ohne Einschränkungen testiert. Die Nachprüfung durch meine Behörde hat keine wesentlichen Mängel ergeben, so dass sie der vorläufigen Festsetzung zugrundegelegt werden können.
3. Für die Bundesverbände der im Bundestag vertretenen Parteien wurden für 2000 folgende Jahresbeträge festgesetzt: SPD 79,7 Mio DM; CDU 66,6 Mio DM; CSU 13,9 Mio DM; Grüne 13,5 Mio DM; F.D.P. 12,3 Mio DM; PDS 11,9 Mio DM. (Die Beträge für die übrigen Parteien sind der Tabelle "Gesamtberechnung" zu entnehmen). Die jetzt zur Auszahlung gelangenden Beträge sind im Regelfall nur noch Restsummen, da der wesentliche Teil der Ansprüche durch die Abschlagszahlungen im Laufe des Jahres 2000 ausgezahlt worden ist.
4. Abweichend hiervon errechnet sich für die CDU ein vergleichsweise hoher Schlusszahlungsbetrag von 55,5 Mio DM, da diese Partei im Laufe des Jahres nur geringe Abschlagszahlungen in Höhe von 10,9 Mio DM erhalten hat. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Berechnungsgrundlage für die Abschläge aufgrund des Vorjahresbescheids wesentlich geringer war. Dadurch steht jetzt der höhere Betrag zur Auszahlung an. Wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage der CDU kann auch jetzt der umstrittene Betrag von 41 Mio DM noch nicht verrechnet werden.
5. Jedoch ist von dem für die CDU errechneten Anspruch ein Betrag von 7,7 Mio DM in Abzug gebracht worden, so dass (nur) 47,8 Mio DM tatsächlich zur Auszahlung gelangen. Dieser Anspruchsverlust ergibt sich als Rechtsfolge aus § 23 a des Parteiengesetzes wegen der Annahme von Spenden ungeklärter Herkunft und des Nichtausweises zu veröffentlichender Großspenden.
Aus den in den Jahren 1993 bis 1998 vom damaligen CDU-Parteivorsitzenden Dr. Helmut Kohl eingenommenen Mitteln ungeklärter Herkunft in der Gesamthöhe von 2.174.106,50 DM ergab sich gemäß § 23 a Abs. 1 Satz 1 Parteiengesetz der Verlust des Anspruchs auf staatliche Mittel in doppelter Höhe, also von 4.348.213 DM (der Betrag selbst war nach § 23 a Abs. 1 Satz 2 Parteiengesetz an das Präsidium des Deutschen Bundestages abzuführen, was von der CDU fristgerecht veranlasst wurde).
Weitere Mittelzuflüsse an die CDU, die als Großspenden in den Rechenschaftsberichten hätten ausgewiesen werden müssen, haben nach § 23 a Abs. 1 Parteiengesetz ebenfalls den Verlust in jeweils doppelter Höhe ausgelöst. Dabei handelt es sich um eine Zuwendung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus dem Jahre 1990 mit 600 000 DM, einen dem damaligen Bundesschatzmeister 1991 von einem Lobbyisten (Schreiber) in der Schweiz übergebenen Betrag von 1 Mio DM, sowie eine Zuwendung desselben Lobbyisten aus dem Jahre 1994 von 100 000 DM und 20 000 DM. In allen Fällen musste die vom Gesetz vorgesehene Sanktion in doppelter Höhe wegen unterbliebener Veröffentlichung gemäß § 25 Abs. 2 Parteiengesetz verhängt werden, so dass sich insoweit ein Anspruchsverlust von 3.440.000 DM errechnet.
6. Nicht sanktioniert bleibt ein weiterer Mittelzufluss ungeklärter Herkunft an die CDU aus den Jahren 1989 bis 1992 in einer Höhe von mindestens 10 Mio DM. Bei dieser Gesamtsumme war nicht nur die Herkunft, sondern auch die Zusammensetzung nicht mehr aufzuklären. Ebenfalls nicht feststellbar ist, in welchen Jahren welche Teilbeträge geflossen sind. Dadurch fehlt es an Bezugsgrößen, an die eine Sanktion anknüpfen könnte, sei es in doppelter Höhe wegen Verletzung der Veröffentlichungspflicht oder in dreifacher Höhe wegen gesetzwidriger Annahme der Beträge. Die Verletzung der Buchführungspflicht löst, auch wenn sie absichtlich erfolgte, keine Rechtsfolgen nach dem Parteiengesetz aus.
Eine spezifische Sanktion für diesen Fall ist im derzeit geltenden Recht nicht vorgesehen. Eine pauschalierte Behandlung des Gesamtbetrags als eine einzige Spende, gleichsam in der Art einer Schätzung, habe ich aus allgemeinen rechtsstaatlichen sowie verwaltungsrechtlichen Gründen nicht vorgenommen.
7. In meinem Bericht über die Rechenschaftsberichte der Parteien von 1996 bis 1998 finden sich weitere Erläuterungen auch zu zahlreichen anderen Vorgängen, Problemfällen und Entwicklungen. Hauptzweck dieses Berichts gemäß § 23 Abs. 5 Parteiengesetz ist es, der Öffentlichkeit einen zusammenhängenden und gewichteten Überblick über dieses Gebiet zu vermitteln. Dadurch wird die Transparenz der Parteifinanzen zusätzlich gefördert, die Entwicklung im zeitlichen Längsschnitt aufgezeigt und die Information auch der Parteien selbst über Grundsätze, Anforderungen und Fehlerquellen der Verbuchungs- und Veröffentlichungspflichten verbessert.
8. Diese Berichte machen dabei auch deutlich, wo es Probleme, Konflikte oder Reformbedarf im Parteiengesetz gibt. Insofern sind sie eine Quelle für die nach § 18 Abs. 7 Parteiengesetz beim Bundespräsidenten eingerichtete Kommission, die dem Bundestag vor einer Änderung in Struktur oder Höhe der staatlichen Mitfinanzierung ihre Empfehlungen vorzulegen hat. Hierzu sind dem Bericht zahlreiche Informationen und Schlussfolgerungen zu entnehmen. Einige davon habe ich ausdrücklich angesprochen.
8.1. Das gilt zunächst für die Ausweisung des Parteivermögens im Hinblick auf Transparenz und Vergleichbarkeit, wozu besonders die Medienbeteiligungen der SPD Anlass gaben. Das Parteiengesetz enthält hierzu keine bindende Festlegung, weder hinsichtlich des Ausweises zum Buchwert (Anschaffungswert) oder zum Verkehrswert, noch hinsichtlich der Frage, welche Einnahmen mit welchen Ausgaben saldiert werden können. Die jetzige Regelung des Parteiengesetzes geht hier über die Buchungsvorschriften für Wirtschaftsunternehmen hinaus. Im Interesse einer höheren Transparenz hier etwas zu ändern, wäre Sache des Gesetzgebers.
8.2. An ihn richtet sich auch die Frage, ob Parteispenden von solchen Unternehmen untersagt werden sollen, die im Eigentum von Bund, Ländern oder Gemeinden stehen oder an denen diese maßgebliche Anteile halten.
8.3. Regelungsbedürftig erscheint ferner die Frage der Stückelung von Großspenden oder, umgekehrt ausgedrückt, der Zusammenfügung von Einzelspenden zu einer wirtschaftlich aus einer Quelle stammenden Großspende, wie es besonders im Verhältnis von Konzernen und Tochterfirmen auftreten kann. Bisher kommt es für die Zuordnung der Spende auf die rechtliche Selbständigkeit des Spenders an. Eine neue Regelung, nach der auf den wirtschaftlichen Ursprung der Zuwendung abzustellen wäre, müsste auch Nachforschungs- und Beweisprobleme berücksichtigen
8.4. Eine Klarstellung des Gesetzgebers wäre auch nötig im Hinblick auf das Annahmeverbot von Einflussspenden. Bisher dürfen solche Spenden nicht angenommen werden, wenn und weil sie "in Erwartung" eines bestimmten Vorteils, also vorher, gewährt werden; eine nachträgliche Spende, also als Dank für einen eingeräumten Vorteil, ist davon nicht erfasst.
9. Der hiermit der Öffentlichkeit übergebene Bericht ist ein Angebot für die rechtspolitische Diskussion. An alle Interessierten und Betroffenen richtet sich die Bitte um eine gründliche Lektüre und sorgfältige Auswertung. Als Einführung in die Thematik steht die Kurzinformation "Die staatliche Parteienfinanzierung" vom 1. Dezember 2000 nebst Anlagen zur Verfügung.