Leuna/Minol blieb bis zuletzt ein Streitpunkt
(hh) Differenzen in der Bewertung zwischen
Koalition und Opposition prägen das Ergebnis der Arbeit des 2.
Untersuchungsaus-schusses "DDR-Vermögen". Dessen Vorsitzender
Volker Neumann (SPD) übergab am 16. Juni nach fast
dreijähriger Tätigkeit den Abschlußbericht
(13/10900) an Bundestagspräsidentin Süssmuth.
In einer Debatte am 18. Juni setzte sich der Bundestag mit den
Feststellungen und Bewertungen des Ausschusses auseinander.
Volker Neumann zog das Fazit,
daß das wirtschaftskriminelle Unrecht, die
Vermögensverschiebungen, die Untreuehandlungen, die
Betrügereien erst unzureichend aufgearbeitet worden seien. Der
Staat habe den Umfang der Veruntreuungen zunächst
unterschätzt.
Milliarden zurückgeführt
Joachim Gres (CDU/CSU) zeigte sich erfreut, daß
Treuhandanstalt bzw. Bundesanstalt für vereinigungsbedingte
Sonderaufgaben (BvS) immerhin etwa 3,7 Milliarden DM aus
Liquidation, Konkursquoten und Verwertungen des früheren
DDR-Unternehmensbereichs "Kommerzielle Koordinierung" (KoKo) dem
Bundeshaushalt zuführen konnten. Dem Ausschuß sei es
gelungen, etwas Licht ins Dickicht der SED/PDS-Schiebereien zu
bringen.
Für Antje Hermenau (Bündnis 90/Die
Grünen) hat die Regierung ihre Fach- und Dienstaufsicht
"verschlafen". Das sei am "Bremer-Vulkan-Skandal" am deutlichsten
geworden. Klaus Röhl (F.D.P.)
zufolge hat sich die SED "hemmungslos" am Volksvermögen
bereichert. Die Verantwortlichen hätten in der Phase bis zur
Wiedervereinigung in die eigene Tasche gewirtschaftet. Wolfgang Bierstedt (PDS) hätte sich mehr
Zeit gewünscht, um die Privatisierung ehemaliger DDR-Banken
und -Versicherungen zu überprüfen.
Der Abschlußbericht mit umfangreichem Anlagenband
befaßt sich gemäß Untersuchungsauftrag vorrangig
mit den Unternehmen und Vermögenswerten von KoKo, mit der
Rückführung von DDR-Vermögenswerten, mit der
Privatisierung von DDR-Unternehmen sowie mit der Privatisierung der
ostdeutschen Werften an die Bremer Vulkan Verbund AG.
Neben einer Bewertung durch den Ausschuß, beschlossen mit der
Koalitionsmehrheit, lagen dem Bundestag auch eine abweichende
Bewertung durch SPD und Bündnisgrüne sowie ein
abweichender Bericht der PDS vor.
Der Ausschuß kommt zu dem Ergebnis, daß die mit der
Aufklärung des Verbleibs von DDR-Vermögen befaßten
Bundesbehörden Vermögenswerte in Milliardenhöhe
sichern konnten. Von Herbst 1989 bis zur Wiedervereinigung habe die
Gelegenheit zu Vermögensverschiebungen bestanden.
Verantwortliche unter anderem von KoKo und aus dem DDR-Ministerium
für Staatssicherheit hätten nicht hinreichend an der
Sicherung der Vermögenswerte mitgewirkt. Einzelne Fälle
von Veruntreuungen, Unter-Wert-Veräußerungen,
Aushöhlungshandlungen und Nichteinhaltung von Arbeitsplatz-
und Investitionszusagen im Zusammenhang mit Privatisierungen von
DDR-Unternehmen könnten nicht darüber
hinwegtäuschen, daß die Aufgabe der Treuhandanstalt und
der BvS mit großem Erfolg bewältigt worden sei.
Die "unrealistische Erwartung", der Untersuchungsausschuß
könne lückenlos alle Bereiche und Facetten des
DDR-Systems aufdecken, habe nicht erfüllt werden können,
heißt es im Bericht weiter.
SPD und Bündnisgrüne erklären in ihrer abweichenden
Bewertung unter anderem, die SPD-Fraktion sei in ihrem Bestreben,
Aufklärung über Ungereimtheiten beim
Privatisierungskomplex Leuna/Minol zu erhalten, "erheblich
behindert" worden. Vor allem sei der Eindruck entstanden, daß
von verschiedenen Seiten "auf Zeit gespielt" wurde, um die
Aufklärung zu blockieren.
Vertuschung vermutet
Ein Antrag der SPD, Akten zum Themenkomplex Leuna/Minol in der
Geheimregistratur des Bundestages zu belassen und für
bestimmte Abgeordnete zugänglich zu machen, sei von der
Koalitionsmehrheit abgelehnt worden. "Offensichtlich soll hier
etwas vertuscht werden", vermutet die Fraktion. Dagegen
erklären CDU/CSU und F.D.P., der Versuch der Sozialdemokraten,
eine der erfolgreichsten Privatisierungen der Treuhandanstalt und
die erfolgreiche Neuetablierung der Chemieindustrie in
Sachsen-Anhalt durch Kritik an der Bundesregierung und "unhaltbare
und von keinerlei Fakten getragene Gerüchte über
Unregelmäßigkeiten" zu diskreditieren, sei
fehlgeschlagen.
Laut PDS wird die Bewältigung von Unrecht im Zusammenhang mit
dem Ost-West-Konflikt einseitig zuungunsten der DDR betrieben.
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