"Für die von uns angestrebte Reform des Gesundheitswesens brauchen wir einen breiten Dialog"
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Am Donnerstag, dem 10. Dezember, verabschiedete der Deutsche
Bundestag in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes
zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen
Krankenversicherung, der vor allem zwei Dinge in den Vordergrund
rückt: So sollen erstens einige unzumutbare Belastungen, die
von der alten Regierung den Bürgerinnen und Bürgern
dieses Landes auferlegt wurden, zurückgenommen werden.
Zweitens war es zwingend, auch Zuwächse und Mehrausgaben zu
begrenzen. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Zuzahlungen für
Medikamente zu reduzieren: Insgesamt werden damit in erster Linie
ältere Menschen und chronisch Kranke im ersten Jahr ihrer
Krankheit entlastet. Für chronisch Kranke wird die Belastung
auf null "gefahren", wenn sie wenigstens ein Prozent ihres
Jahresbrutto für Zuzahlungen aufwenden mußten. Die
völlige Freistellung gilt jedoch nicht für
Familienmitglieder. Deswegen wird das Krankenhausnotopfer als
unzulässige Belastung für die Versicherten ausgesetzt.
Ganz entscheidend, hinsichtlich der Gerechtigkeit zwischen den
Generationen, ist die Wiederaufnahme der Zahnersatzleistungen
für nach 1978 Geborene. Auch die Elemente der privaten
Versicherungswirtschaft, die das Solidarprinzip schwächen,
werden gestrichen. Das betrifft insbesondere die
Wiedereinführung des Sachleistungsprinzips beim
Zahnersatz.
Natürlich war es notwendig, über diese Maßnahmen
hinaus für eine Begrenzung der Ausgabensteigerung zu sorgen:
Die einzuführenden Budgets dienen nicht der Gegenfinanzierung,
sondern sorgen dafür, daß auch finanziell der Weg
für die bevorstehenden Strukturveränderungen nicht
verbaut wird. Bei den Ausgabenbegrenzungen handelt es sich um
außerordentlich differenzierte Lösungen, die
genügend Raum für eine hochwertige medizinische
Versorgung der Bevölkerung lassen. Bei der
vertragsärztlichen Versorgung gab es eine Steigerung um die
Grundlohnsummenentwicklung des Jahres 1998, das sind
voraussichtlich in 1999 1,2 Mrd. DM mehr als in diesem Jahr.
Besonders zu berücksichtigen war dabei die Situation in den
neuen Ländern, wo sich die Grundlohnsummenentwicklung um Null
herum bewegt. Hier wird im Gesetzesentwurf ein solidarischer
Ausgleich vorgeschlagen, der 140 Mio. DM von West nach Ost
umverteilt. Mit der Aufhebung der Befristung im gesamtdeutschen
Risikostrukturausgleich wurde eine weitere Voraussetzung für
eine Gleichbehandlung im Gesundheitssystem geschaffen.
Mit Blick auf die zu erwartenden Proteste der Ärzteschaft sei
eines gesagt: Es ist nicht allein so, daß den niedergelassenen
Ärzten Zuwächse in dem oben genannten Umfang zugestanden
werden. Mit diesem Gesetz werden vergangene
Budgetüberschreitungen von Rückzahlungen freigestellt.
Und auch bei Überschreitungen im nächsten Jahr gehen die
Rückzahlungsverpflichtungen nicht über 5 Prozent des
Budgets hinaus. Eine durchaus verträgliche und vor allem
ausreichende Begrenzung sollte es auch im Bereich der Arznei- und
Heilmittelbudgets geben, nachdem es hier in den letzten Jahren bis
zu zweistellige Zuwächse gab. Der Boom alternativer
Heilmethoden und zugleich die für die meisten Patienten
große Unübersichtlichkeit in diesem Bereich zeigt,
daß es auch hier ein Bedürfnis gibt, Klarheit zu schaffen
und für eine positive und verläßliche Entwicklung zu
sorgen. Für die von uns angestrebte Reform des
Gesundheitswesens brauchen wir einen breiten Dialog: Zu einer
solchen Diskussion wollen wir einladen, wir wollen sie bald
führen und nicht über die Köpfe der Betroffenen auf
allen Seiten hinweg.