Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn Sie diese Ausgabe von "Blickpunkt Bundestag" in Händen halten, haben ein Großteil der Bundestagsabgeordneten, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Fraktionen sowie Teile der Parlamentsverwaltung den Umzug von Bonn nach Berlin schon hinter sich gebracht und sind dabei, sich in ihren neuen Büros einzurichten. Anderen steht in den verbleibenden Wochen der parlamentarischen Sommerpause der Wechsel nach Berlin noch bevor.
Die letzten Arbeitstage des Parlaments in Bonn, die sich in mehreren Berichten auf den folgenden Seiten niederschlagen, machten noch einmal deutlich, was für den Deutschen Bundestag in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten zum herausragenden und prägenden Kennzeichen geworden ist: kontroverse Debatten vor den Augen der Öffentlichkeit, demokratische Entscheidungen und breite Übereinstimmung in Grundfragen des Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland.
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Nach langen Jahren der Diskussion, in welcher angemessenen Weise Deutschland der Millionen Juden gedenken soll, die während der nationalsozialistischen Herrschaft ermordet worden sind, und wie daraus eine Mahnung zur Achtung der Würde aller Menschen werden kann, war der Deutsche Bundestag die Institution, in der die Entscheidung, legitimiert durch die Verfassung, gefaßt werden mußte. Auch wenn die öffentliche Debatte, in der Presse und auf Bildschirmen, weitergeht: das Votum des Parlaments hat den entscheidenden Markstein gesetzt. Es mag sinnvoll sein, an dieser Stelle das Grundgesetz zu zitieren, in dessen Artikel 38 es heißt: "Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen." Eine große deutsche Zeitung attestierte dem Deutschen Bundestag: "Er hat mit Würde und Ernst debattiert und so der besten Tradition dieses Hauses ein neues Kapitel hinzugefügt."
Eine weitere Debatte hat in dieser Ausgabe von "Blickpunkt Bundestag" besonderen Raum. Am letzten Tag seiner parlamentarischen Arbeit in Bonn verband der Deutsche Bundestag seinen Dank an die Stadt mit der Würdigung der zurückliegenden 50 Jahre Demokratie, die von diesem Parlament mit Sitz in Bonn getragen wurden. Dessen zentrale Rolle im politischen Geschehen in der Bundesrepublik brachte auch die Vereidigung von Bundespräsident Johannes Rau in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat am selben Tag zum Ausdruck.
Hans Hotter