DEUTSCHLAND ERNEUERN ZUKUNFTSPROGRAMM 2000 Eichel: Statt "süßem Gift" nun "bittere Medizin"(hh) Heftige Kontroversen löste am 24. Juni die Regierungserklärung von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) "Deutschland erneuern – Zukunftsprogramm 2000" aus. Während die Koalitionsabgeordneten das Programm unterstützten, kündigte die Opposition heftigen Widerstand an. Das Programm sieht unter anderem Einsparungen im Bundeshaushalt allein im kommenden Jahr von 30 Milliarden DM, eine steuerliche Entlastung von Familien und Unternehmen von 5,5 bzw. 8 Milliarden DM und eine auf zwei Jahre befristete Nullrunde für Rentner, Beamte und Arbeitslose vor. Im Rahmen der Ökosteuerreform soll in den kommenden vier Jahren die Mineralölsteuer um jeweils 6 Pfennig pro Liter ansteigen. "Auch wenn dies von vielen nicht für möglich gehalten wurde: Wir haben unser Sparziel von 30 Milliarden DM für das Jahr 2000 erreicht", sagte der Finanzminister. Er nannte das Sparpaket eine Grundlage für ein "sozial gerechtes und zukunftsfähiges Staatswesen". Die Einsparungen seien notwendig, um den Staat nicht endgültig seiner Handlungsfähigkeit zu berauben. "Unsoziale Entwicklung"Inzwischen gebe der Bund wegen des Schuldenberges von rund 1,5 Billionen DM jede vierte Mark für Zinszahlungen aus. Diese Entwicklung sei unsozial. "Die Bürgerinnen und Bürger zahlen Steuern und bekommen keine adäquate Leistung mehr dafür", betonte der Minister. Mit dem Programm werde eine Umkehr der Wirtschafts und Finanzpolitik eingeleitet, die für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgen solle. "An die Stelle des süßen Gifts der Staatsverschuldung, die mit Sicherheit zum Tode führt, setzen wir die bittere Medizin der Gesundung", erklärte Eichel. Dagegen kritisierte der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSUBundestagsfraktion, Friedrich Merz, das Programm scharf.Er erklärte, Eichel habe keine Altlast von der früheren Koalition von Union und F.D.P., sondern nur von seinem unmittelbaren Vorgänger Oskar Lafontaine (SPD) übernommen. Er warf Eichel vor, sozial Schwache einseitig zu belasten, beispielsweise durch die Ökosteuerreform. Er wies darauf hin, daß die Rentner nichts von der geplanten Senkung der Lohnnebenkosten hätten, die Ökosteuer aber voll mittragen müßten. Ebenso sei die Landwirtschaft mit der Streichung der Steuervergünstigung für Diesel durch die Ökosteuer gleich mehrmals betroffen. Merz betonte weiter, daß niemand die Notwendigkeit von Einsparungen bestreite – sie müßten aber an der "richtigen Stelle" erfolgen. Oswald Metzger (Bündnis 90/ Die Grünen) betonte, daß seine Fraktion "uneingeschränkt" zu dem Konsolidierungsprogramm der Regierung stehe. Die Gesellschaft stehe angesichts der Verschuldungslage finanzpolitisch "an der Wand". Es sei ein großer Erfolg, daß die neue Koalition die Neuverschuldung absenken werde. Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen räumte ein, daß er selbst es vor kurzem nicht für möglich gehalten habe, daß dem Regierungsbündnis der Kraftakt gelinge. Er widersprach auch der Aussage, die 30 Milliarden DM seien allein auf Aufstockungen durch Lafontaine zurückzuführen. Die Ausgaben 1999 seien, so Metzger, nur deshalb so stark gestiegen, weil die Koalition viele Schattenhaushalte der alten Regierung aufgelöst und in den Bundeshaushalt überführt habe. "Programm ist Mogelpackung"Für Günter Rexrodt (F.D.P.) ist das Programm eine Mogelpackung. Es enthalte "Luftbuchungen aller Art". Die vorgesehene Unternehmenssteuerreform sei überfällig gewesen, führe aber nicht weit genug. Zudem kämen insbesondere auf den Mittelstand neue Belastungen durch die Erhöhung der Ökosteuer zu. Er sagte voraus, daß das Bundesverfassungsgericht eine Spreizung bei der Einkommensbesteuerung nicht akzeptieren werde. Der Vorsitzende der PDSBundestagsfraktion, Gregor Gysi, warf der Koalition vor, das gewählte Sparziel von 30 Milliarden DM sei "willkürlich". "Warum nicht 40, warum nicht 20 Milliarden", sagte er. Das vorgelegte Programm könne kein wirtschaftliches Wachstum entfachen, sei sozial ungerecht und werde zum weiteren Arbeitsplatzabbau führen. Wenn die alte Regierung ein solches Programm vorgelegt hätte, dann hätte es die SPD "in der Luft zerrissen", meinte er. |