HEARINGS ZU OPPOSITIONSINITIATIVEN Folgen der letzten GesundheitsNovelle unter Experten umstritten(ge) Inwieweit die durch das Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung im Dezember 1998 eingeführte zeitlich befristete Ausgabenbegrenzung in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu Engpässen in der medizinischen Versorgung und zu Qualitätsverlusten führen wird, haben am 16. Juni vom Gesundheitsausschuß eingeladene Experten unterschiedlich bewertet. Basis der einstündigen Anhörung war der Gesetzentwurf der F.D.P. zur Änderung des Solidaritätsstärkungsgesetzes ( 14/884). Die Liberalen hatten darin erklärt, durch die im Solidaritätsstärkungsgesetz vorgesehene Regelung, daß die Vergütungen im Jahr 1999 nicht stärker steigen dürften als die beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder im Jahr 1998, ergäben sich Engpässe für die medizinische Versorgung. Ziel ihrer Initiative sei es, diese Engpässe und einen "unverantwortlichen Qualitätsverlust" zu vermeiden. "Heißer Herbst" zu erwartenDer Einzelsachverständige Prof. A. Azzola aus MecklenburgVorpommern verwies auf die bereits jetzt sehr schwierige Lage in den neuen Bundesländern. Die Krankenkassen hätten dort keine lange Tradition, die es ihnen ermöglicht hätte, Geldrücklagen zu bilden. Eine weitere Budgetierung führe unvermeidlich zu einer Leistungsminderung für die Versicherten. Er prognostiziere deshalb einen "heißen Herbst", sobald die Betroffenen die Auswirkungen spürten. Er plädiere dafür, den Aufsichtsbehörden die Möglichkeit zu geben, Budgetüberschreitungen zu genehmigen. Ob es tatsächlich am Jahresende zu den von Prof. Neubauer, einem weiteren Einzelexperten, prognostizierten 25.000 Arbeitslosen im Gesundheitsbereich kommen werde, könne er nicht sagen. Er glaube allerdings, so Azzola, daß der so notwendige und angesehene Beruf der Arzthelferin zurückgehen werde. Zudem griffen immer mehr Krankenhäuser zu dem Mittel des Zwangsurlaubs, was auch zu einer verminderten Präsenz von Ärzten und Pflegepersonal führe. Die Sachverständigen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der Deutschen AngestelltenGewerkschaft (DAG) glaubten nicht, daß es zu Entlassungen kommen werde. Die Zahl Neubauers sei "völlig aus der Luft gegriffen", erklärten sie. Der Vertreter des Verbandes der Deutschen AngestelltenKrankenkassen (VdAK) erläuterte, die Krankenhäuser seien in der Lage zu liefern, was "medizinisch nötig" ist. Sie seien nicht dazu da, Arbeitsmarktprogramme zu machen. Ausdrücklich begrüßt wurde die F.D.P.Inititative von den Vertretern der Zahnärzte und Zahntechniker. Vor allem in den neuen Bundesländern sei das Problem der Arbeitslosigkeit im Bereich der Zahntechniker "dramatisch", betonten diese. Prof. Jürgen Wasem von der Universität Greifswald verwies auf den systematischen Trend des Auseinanderdriftens der beitragspflichtigen Einnahmen der GKV vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Von 1976 bis 1998 sei das BIP je Einwohner um jahresdurchschnittlich 4,3 Prozent gewachsen; demgegenüber seien die beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied im gleichen Zeitraum nur um 3,3 Prozent je Mitglied gestiegen. Er appellierte deshalb an die Abgeordneten, nicht nur "Flickschusterei" zu betreiben, sondern sich für eine "verläßliche Regelung für alle Leistungsbereiche" stark zu machen. Es gehe eher um ein einnahmenseitiges als um ein ausgabenseitiges Problem. Unionsinitiative erörtertAm selben Tag veranstaltete der Gesundheitsausschuß auch ein öffentliches Hearing zu dem Entwurf der CDU/CSUFraktion für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ( 14/886). Die Union will mit ihrer Initiative die von der Koalition durch das GKVSolidaritätsstärkungsgesetz zum 1. Januar 1999 abgeschaffte Möglichkeit der Wahl der Kostenerstattung für Pflichtversicherte wieder einführen und allen Versicherten zur Verfügung stellen. Die Bundesärztekammer sprach sich in ihrer Stellungnahme für die Wiedereinführung der Kostenerstattung für alle Versicherten aus. Dabei müsse jedoch das Verhältnis zwischen Kostenerstattung und Sachleistungsvergütung eindeutig geregelt werden. Dies gelte um so mehr, wenn mit dieser Wahlmöglichkeit die Inanspruchnahme von ärztlicher Behandlung in der EU verbunden werden solle. Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte schloß sich dieser positiven Beurteilung der Oppositionsinitiative an. Die "Diskriminierung" der Pflichtversicherten gegenüber den freiwilligen Mitgliedern der Krankenkassen durch die Regierungskoalition sei "sachlich nicht nachvollziehbar". Dieser Schritt in Richtung "Zweiklassenmedizin" beruhe offensichtlich allein auf der Überlegung, daß ein Abwandern von freiwilligen Mitgliedern der GKV in die private Krankenversicherung befürchtet werde. Sachleistung begrüßtDer Bundesverband der Innungskrankenkassen (IKK) hingegen bekannte sich "nachdrücklich" zum Sachleistungsprinzip und betonte, er sei gegen eine Ausweitung der Kostenerstattung auf Pflichtversicherte. Das Sachleistungsprinzip gewährleiste, daß jeder Versicherte – unabhängig von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – direkten Zugang zu den notwendigen Dienstleistungen der medizinischen Versorgung habe. Es sichere zudem den Einfluß der Krankenkassen auf das medizinische Leistungsgeschehen, insbesondere im Hinblick auf die Gewährleistung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung. Der Vertreter des Bayerischen Landesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) legte in seiner Stellungnahme dar, die derzeitige Rechtslage sei "in hohem Maße problematisch" und für die Gesetzlichen Krankenkassen nicht korrekt zu handhaben. Sinnvoll sei nur eine Kostenerstattung für alle, dem der Unionsentwurf Rechnung trage. Die Frage der Kostenerstattung sei aber letztlich eine Frage der Bewertung der Entscheidungskompetenz des Versicherten. Den Gesetzentwurf der CDU/CSU lehnte der Bundestag am 24. Juni ab. Dieser folgte damit der Empfehlung des Fachausschusses ( 14/1216), der sich am Vortag mit der Initiative befaßt hatte. |