streitgespräch
Streitgespräch über die Belastung von Vermögen
Sozialer Ausgleich oder Ungerechtigkeit?
Die Haushaltspolitik der rot-grünen Bundesregierung ist umstritten: Die einen halten sie für ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, die anderen meinen, sie stranguliere die Wirtschaft. Besonders heftig tobt der Streit um eine zusätzliche Belastung hoher Vermögen. Kann sie zum sozialen Ausgleich beitragen, oder ist sie einfach ungerecht? Die Berliner Journalistin Andrea Ziech moderierte für Blickpunkt Bundestag ein Streitgespräch mit Hansjürgen Doss (CDU/CSU) und Detlev von Larcher (SPD).
Blickpunkt Bundestag: Warum fordern Teile der SPD eine Besteuerung von Privatvermögen?
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Hansjürgen Doss (links) und Detlev von Larcher. |
von Larcher: Besonders große Vermögen bedeuten auch eine besondere Leistungsfähigkeit. Deshalb fordern wir von Wohlhabenden einen Solidaritätsbeitrag zum Erhalt der Stabilität unserer Gesellschaft. Schließlich verlangen wir auch von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen einen Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen. Meine Forderung nach Wiederbesteuerung privater Vermögen ist ein Aufruf zur Solidarität an diejenigen in unserer Gesellschaft, denen es besonders gut geht.
Wir Fordern von den Wohlhabenden einen Solidaritätsbeitrag
Doss: Da bin ich ganz anderer Ansicht. Zum Beispiel ist die Ertragslage in unserer mittelständischen Wirtschaft ohnehin schlecht. Von 100 Mark Umsatz bleiben den Unternehmen in Deutschland nach Steuern und anderen Kosten gerade mal 1,85 Mark Gewinn übrig. Und das sind nicht die großen Unternehmen. Das ist die Lage des Mittelstandes, des Rückgrats unserer Gesellschaft. Es ist nicht richtig, sie noch einmal zusätzlich zur Kasse zu bitten.
von Larcher: Wir wollen nur die privaten Vermögen besteuern.
Lässt sich zwischen privaten und betrieblichen Vermögen unterscheiden?
Doss: Nein, das geht überhaupt nicht. 85 Prozent der deutschen Unternehmen sind Personengesellschaften. Und die treffen Sie mit einer Vermögenssteuer voll.
von Larcher: Ich sage es noch einmal ganz klar: Wir wollen nur die großen Privatvermögen besteuern, nicht die Betriebsvermögen. Diese Unterscheidung müssen wir ja auch bei anderen Steuerarten treffen. Das lässt sich also sehr wohl unterscheiden.
Ist die heftige öffentliche Diskussion ein Indiz dafür, dass Handlungsbedarf besteht?
Doss: Die öffentliche Diskussion ist im Gegenteil schädlich. Große Vermögen gehen doch ohnehin schon ins Ausland, nun gehen auch noch die mittleren. Unsere Steuern sind zu hoch. Meiner Ansicht nach ist das eine reine Neid-Diskussion. Das Ganze animiert niemanden dazu, hier Risiken einzugehen und zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Schließlich muss fast jeder befürchten, dass er dieser Art von Umverteilung zum Opfer fällt. Wir müssten das Gegenteil diskutieren. Wir müssten sagen: Leistung muss sich lohnen, Investitionen müssen sich lohnen, Fleiß muss sich lohnen.
Leistung muss sich lohnen, Investitionen müssen sich lohnen
von Larcher: Ich halte die öffentliche Diskussion in einer offenen Gesellschaft für unvermeidbar. Schließlich gibt es auch in anderen Ländern, den USA, Skandinavien, Frankreich, den Niederlanden, in fast allen Ländern, eine Vermögenssteuer. Wieso soll das also bei uns besonders abschreckend wirken? Es geht mir überhaupt nicht um eine Neid-Diskussion. Wir leben alle gern in dieser Gesellschaft und wir wollen, dass die Menschen hier auch das leisten, was sie leisten können. Dazu müssen wir die Rahmenbedingungen schaffen. Jeder muss nach seinem Vermögen auch finanziell dazu beitragen.
Widerspricht eine Vermögenssteuer nicht Urteilen des Bundesverfassungsgerichts?
Doss: Natürlich. Es ist doch unter anderem völlig ungerecht, wenn man ein Vermögen noch einmal besteuert, das nach der Besteuerung von Einkommen entstanden ist. Wir haben die Vermögenssteuer abgeschafft, weil sie laut Bundesverfassungsgericht nicht mehr erhoben werden darf. Auch eine Vermögensabgabe wäre nichts anderes.
von Larcher: Nein, das stimmt nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat bemängelt, dass Immobilienvermögen im Verhältnis zum Geldvermögen zu niedrig bewertet wird. Die damalige Regierung hätte nur gleiche Maßstäbe für beides anlegen müssen, um die Vermögenssteuer weiterzuführen. Es ging überhaupt nicht um die Doppelbesteuerung.
Ab welcher Summe beginnt das Vermögen?
Doss: Die Grenzen, die Sie, Herr von Larcher, schon geäußert haben, nämlich 300.000 Mark Freigrenze für Wohneigentum und 200.000 Mark sonstiges Vermögen, treffen mitten in die unteren Einkommen. Das heißt auch, jedes Häuschen ist Vermögen. Das kann ich überhaupt nicht mehr verstehen.
von Larcher: Es war taktisch sicher falsch, Zahlen zu nennen. Ich habe aber auch gesagt: Wir müssen den Freibetrag so hoch machen, dass selbst genutztes Wohneigentum steuerfrei bleibt. Die Höhe der Freibeträge können wir erst klären, wenn wir wissen, welches Instrument - Vermögenssteuer oder Vermögensabgabe oder die Erbschaftssteuer - wir nehmen. Die Kleinen kommen also gerade nicht dran. Und auch sonst will ich niemandem etwas wegnehmen.
Ist die Vermögenssteuer ein Instrument, um Steuersparkünstler dazu zu bringen, ihren Beitrag für die Allgemeinheit zu leisten?
Doss: Wir haben in unserer Regierungszeit Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen, um bestimmte Investitionen zu fördern, beispielsweise in den neuen Ländern. Diese Abschreibungsmöglichkeiten sollen zum Teil zurückgenommen werden. Das ist die Gegenfinanzierung für die anstehende Unternehmenssteuerreform und die Steuerreformen, die gemacht werden müssen. Das ist ja unstrittig. Bei der Vermögenssteuer soll aus angeblichen Gerechtigkeitsgründen den so genannten Reichen, angefangen beim Einfamilienhausbesitzer, ein Sonderopfer zugemutet werden.
von Larcher: Nein, darum geht es nicht. Wir wollen Straßen haben, Krankenhäuser, Nahverkehr, Schulen und Universitäten. Wir haben eine gemeinsame Vorstellung von Gesellschaft. Wir verlangen von jedem, dass er nach seiner Leistungsfähigkeit dazu beiträgt. Die Einkünfte der Arbeitnehmer erfassen wir steuerlich zu über 90 Prozent, an andere Steuern kommen wir nur zu etwa 50 Prozent. Selbst nach unserem Steuerentlastungsgesetz, das viele Schlupflöcher stopft, gibt es für Vermögende immer noch genügend Abschreibungsmöglichkeiten. Deshalb ist eine Vermögensabgabe sehr wohl eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Wir wollen Strassen haben, Krankenhäuser, Nahverkehr
Doss: Die Frage ist aber doch, ob aus der Substanz besteuert wird oder aus den Erträgen. Selbstständige beispielsweise nutzen ihr Vermögen auch zur Altersvorsorge. Ich halte es für fatal, einen mittelständischen Unternehmer um einen Teil seiner Altersvorsorge zu bringen. Und die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben finanzieren wir schon aus einer enorm hohen Steuerbelastung.
Wie viel Geld würde die Vermögenssteuer in die Kassen bringen?
Doss: Die alte Vermögenssteuer hat neun Milliarden Mark gebracht. Aber 71 Prozent davon sind von Jahreseinkommen unter 55.000 Mark bei Ledigen beziehungsweise 110.000 Mark bei Verheirateten gezahlt worden. Die Vermögenssteuer wurde also nicht von den besonders Reichen, sondern von mittleren Einkommen in die Kassen gebracht.
Die vermögenssteuer wurde von mittleren Einkommen in die Kassen gebracht
von Larcher: Es kommt darauf an, wie wir eine Vermögensbesteuerung letzten Endes gestalten. Bei der alten Vermögenssteuer wurde auch das betriebliche Vermögen besteuert. Durch die Begrenzung auf private Vermögen wird das Aufkommen also auf jeden Fall geringer ausfallen. Aber selbst wenn eine Abgabe "nur" fünf Milliarden Mark einbringt, ist das meiner Ansicht nach viel Geld.
Der Bundesfinanzhof hat vor kurzem entschieden, dass der so genannte Halbteilungsgrundsatz, nach dem die Steuerlast nicht mehr als 50 Prozent betragen darf, nicht auf die Einkommenssteuer angewendet werden muss. Wie beurteilen Sie das im Zusammenhang mit der Vermögenssteuer?
Doss: Meiner Ansicht nach muss jetzt das Bundesverfassungsgericht als höchstes Organ in dieser Frage klarstellen, wie wir mit diesem Urteil umzugehen haben.
von Larcher: Ich habe mich über das Urteil gefreut, weil es den Halbteilungsgrundsatz relativiert hat. Aber das führt nicht dazu, dass wir jetzt Steuern erhöhen.
Haben Sie selbst Vermögen, das möglicherweise in Zukunft besteuert wird?
Doss: Das Haus, das meine Frau und ich uns erarbeitet haben, ist heute einen nicht unerheblichen Betrag wert - weil wir, anstatt in Urlaub zu fahren, in dieses Haus investiert haben. Und damit würden wir voll in Ihr Visier laufen, Herr von Larcher.
von Larcher: Ich habe ein wenig Vermögen, und ich bin auch bereit, dafür Steuern zu zahlen.