Gesetzgebung gestern und heute
Regeln erleichtern das Zusammenleben. Aus diesem Grund gibt sich jede Gesellschaft zu jeder Zeit Gesetze. Nicht immer läuft es ab wie in westlichen Demokratien. Wie die Beispiele zeigen, wirkt die Gesetzgebung mal durch das gesprochene, mal durch das geschriebene Wort, hier durch den Erlass eines Herrschers und dort durch die Beteiligung der Gemeinschaft.
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Auf steinernen Schrifttafeln, die nach der Überlieferung (2. Mose 19–24) direkt von Gott stammen, und durch mündliche Überlieferung teilte der Herr seinem israelitischen Volk auf dem Weg von Ägypten nach Kanaan mit, nach welchen Gesetzen, Regeln und Anweisungen es fortan leben sollte. Am und auf dem Berg Sinai „schrieb Mose alle Worte des Herrn auf“. Etwa: „Ein Bestechungsgeschenk nimm nicht an; denn das Bestechungsgeschenk macht Sehende blind und verdreht die Sache der Gerechten.“ Oder: „Und den Fremden sollst du nicht bedrücken. Ihr wisst ja selbst, wie es dem Fremden zu Mute ist, denn Fremde seid ihr im Land Ägypten gewesen.“ Dies bildete in biblischer Zeit den „Neuen Bund“ im Alten Testament.
Unter freiem Himmel, im so genannten Thing, entstanden bei den Germanen die Regeln für die Gemeinschaft. Das Thing war die Zusammenkunft aller freien Männer eines Gaues, einer Hundertschaft oder eines Dorfes. Es gab „echte“ Thing-Versammlungen, die regelmäßig einberufen wurden, und „gebotene“ Thing-Versammlungen, die außerordentlich tagten. Im Thing ging es vor allem um die Aburteilung von Angeklagten, denen schwere Verbrechen vorgeworfen wurden. Aber auch die Höhe von Abgaben wurde hier festgelegt, über Krieg und Frieden entschieden und gesetzliche Regelungen für das Zusammenleben gefunden. Wort-Spuren des Thing finden sich unter anderem im isländischen Parlament, dem „Althing“, und dem norwegischen „Storting“.
Im „Sachsenspiegel“ hielt der Rechtsberater Eike von Repgow Anfang des 13. Jahrhunderts das damalige heimische Gewohnheitsrecht fest – offenkundig, um damit angesichts eindringenden fremden, besonders des römischen Rechts und im Streit zwischen Staufern und Welfen sowie bei der Kolonisierung östlicher Gebiete zum Rechtsfrieden beizutragen. Der „Sachsenspiegel“ bekam binnen zwei Jahrhunderten seine überlieferte Form mit eindrucksvollen Bildern, die nicht nur die zu regelnden Fälle illustrierten, sondern auch das persönliche Auftreten der Verfahrensteilnehmer als wesentliches Element des Gewohnheitsrechtes unterstrichen. In Teilen behielt der „Sachsenspiegel“ bis ins 19. Jahrhundert wichtige Funktionen und wurde erst vom Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst.
Über den Gesetzen stand der König in der absoluten Monarchie (Absolutismus) des 17. und 18. Jahrhunderts. Zugleich war „des Königs Wille oberstes Gesetz“. Der absolute Monarch, wie er in Reinform von Ludwig XIV. in Frankreich verkörpert wurde, vereinigte in sich alle Funktionen des Staates, also Rechtsprechung, Verwaltung, Gesetzgebung und militärische Gewalt. Er leitete seine Befugnis direkt von Gott ab. Allerdings durfte er nicht gegen die göttliche Ordnung und die natürliche Moral verstoßen. Die förmliche Gesetzgebung erfolgte durch Verordnungen und Edikte. Der Absolutismus bedeutete eine Straffung der Staatstätigkeit, zugleich in der Verbindung mit Prunksucht aber auch eine Ruinierung der Staatsfinanzen.
Die Französische Revolution etablierte ab 1789 zunächst eine gesetzgebende Versammlung, durch die die gewählten Vertreter der Bürger die Legislative übernahmen und den König auf die Funktion der Ausführung beschränkten. Nach der Verfassung von 1791 konnte der König die verabschiedeten Gesetze durch ein Veto lediglich vorübergehend aufhalten. Außer der „Liberté“, der Freiheit, wurde die „Egalité“, die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, erstmals durchgesetzt. Im weiteren Verlauf legalisierte das „Gesetz über die Verdächtigen“ jedoch den revolutionären Terror, der Exekutivausschuss des Parlamentes bekam weitgehende Vollmachten und schaffte wesentliche Freiheits- und Menschenrechte ab, wodurch eine grausame Welle von Tausenden von Hinrichtungen durchs Land ging.
Auf EU-Ebene wirken das direkt vom Volk gewählte Europäische Parlament, der aus den Fachministern bestehende Rat („Ministerrat“) und die Europäische Kommission als Spitze der EU-Verwaltung zusammen. Außerdem gibt der Europäische Rat, in dem die Staats- und Regierungschefs sowie der Präsident der Europäischen Kommission zusammenkommen, der EU die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung fest. Je nach Thematik hat das Parlament das Recht zur Mitentscheidung, zur Kooperation oder zur Konsultation. Die Initiative für Rechtsakte liegt bei der Kommission. Sie werden bei der Mitentscheidung im Parlament und im Rat beraten. Wenn in zweiter Lesung das Parlament dem Standpunkt des Rates zustimmt, wird der Rechtsakt erlassen. Stimmt die absolute Mehrheit dagegen, ist die Vorlage gescheitert. Bei Ablehnung durch einfache Mehrheit kann es mit einer zweiten Lesung im Rat und einem Vermittlungsausschuss weitergehen.