Mit Geschlossenheit und Sachpolitik versucht die CSU, nach dem unerwarteten Berlin-Verzicht von Ministerpräsident Edmund Stoiber wieder aus ihrem Stimmungs- und Ansehenstief herauszufinden. Nach den Klausuren zum Jahresbeginn wird sie das - zumindest vorerst - weiter unter der Führung des arg angeschlagenen Stoiber versuchen, der derzeit bei allen Parteigliederungen um Verständnis für seine Politik und seine Entscheidung, in Bayern zu bleiben, wirbt. Dagegen wittert die Opposition angesichts der geschwächten Regierungspartei erstmals seit mehr als 40 Jahren eine Möglichkeit, die Alleinherrschaft der CSU 2008 zu beenden. SPD-Fraktionschef Franz Maget sprach von einer "realistischen Chance zur Ablösung", was CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann flugs mit der Bemerkung konterte, Magets Träume würden "wie Seifenblasen zerplatzen". Die SPD vertrete in vielen Fragen verfehlte Positionen und verstehe vom Lebensgefühl der Menschen "soviel wie ein Osterhase von Weihnachten".
Die CSU will Bayern in diesem Jahr zum "Wohlfühlland" machen, wie Generalsekretär Markus Söder ankündigte. Davon war die Partei zuletzt ziemlich weit entfernt: Ein beinharter, nicht immer durchdachter Sparkurs und eine meist von oben diktierte durchgreifende Verwaltungsreform hatten für eine Menge Ärger und Enttäuschung an der Basis gesorgt. Dies und die Reaktion auf Stoibers Zaudern und Rückzieher bei einem Eintreten ins Bundeskabinett hatten die CSU im November bei Umfragen auf 45 Prozent absacken lassen. Eine Forsa-Erhebung im Auftrag des Nachrichtensenders n-tv sah sie im Januar mit 49 Prozent erneut unter ihrer traditionellen 50-plus-x-Marke. Die neues-te Umfrage vom Infratest-dimap im Auftrag des Bayerischen Fernsehens ließ die CSU inzwischen wieder auf 53 Prozent klettern.
Auch kann sich die Partei wieder mit politischen Erfolgen schmücken: Die Regierungsmannschaft ist unmittelbar davor, ihr großes Ziel zu verwirklichen, nämlich den bayerischen Staatshaushalt in diesem Jahr als erstes Bundesland ohne neue Schulden auszugleichen. Die CSU-Fraktion hat bei ihrer Klausur in Wildbad Kreuth für die Eckdaten grünes Licht gegeben. Finanzminister Kurt Faltlhauser muss das Zahlenwerk jetzt noch im Detail auf die Reihe bringen, was mit einigen Tricks, dem Verkauf eines Aktienpakets und der Annahme eines für Bayern überdurchschnittlichen Wachstums von zwei Prozent wohl gelingen dürfte. Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr reklamierte, dass der Haushalt nur auf dem Papier ausgeglichen sei und es "jede Menge ungedeckter Schecks" gebe.
Im Vorfeld der Kreuther Klausur waren noch neue Verwerfungen zwischen Edmund Stoiber und der Fraktion entstanden. Für zusätzliche, vom Kabinett vorgesehene Einsparungen von 100 Millionen Euro sollte nämlich das Kultusministerium 8 Millionen bei der Erwachsenenbildung kürzen, was eine Halbierung der staatlichen Zuschüsse bedeutet hätte. Der Protest gegen diese Pläne fiel umso heftiger aus, weil die CSU die Bildung zum politischen Schwerpunktthema gemacht hatte. Ebenso widersprüchlich wirkte das Vorhaben, für den ländlichen Raum eine groß angelegte Initiative zu starten, andererseits aber die fehlenden Millionen bei der Dorferneuerung zu streichen. Schließlich begnügte sich Faltlhauser mit 90 Millionen Euro Einsparungen und schüttelte eine milliardenschwere Umschuldungsaktion zu "sensationellen" Konditionen aus dem Ärmel, die unter dem Strich den Landeshaushalt Jahre lang um jeweils 8 Millionen Euro entlastet.
Im Tauziehen um seinen Etat stellte der Finanzminister bei der Klausur erstmals auch eine "Ermüdung in Hinblick auf die Sparbemühungen fest". Gleichzeitig mit den Streichungen wurden nämlich angesichts der teils dramatischen Engpässe an den Schulen 200 neue Lehrerstellen an Gymnasien und Realschulen eingeplant, mehr als 300 Zeitverträge für diese Schularten verlängert und 400 Stellen von den Grundschulen an die weiterführenden Schulen verlagert. Für den Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung fließen nunmehr 12,3 Milliarden Euro, was eine Steigerung von 4,5 Prozent im Kultusetat und von 6,8 Prozent im Wissenschaftsetat bedeutet. Die Fraktion setzte außerdem eine Erhöhung der Zuschüsse an die Sportvereine um 4,6 Millionen Euro durch und sicherte den Bauern mit weiteren 4 Millionen Euro EU-Kofinanzierungsprojekte.
Fraktionschef Joachim Herrmann betonte, dass die Landtags-CSU nach wie vor hinter dem Sparkurs Stoibers stehe, dass sie aber vor allem bei der Bildungs- und Haushaltspolitik auch "eigene Akzente deutlich gemacht hat". Ein ausgeglichener Haushalt ohne Neuverschuldung sei dabei kein Selbstzweck, er stehe vielmehr in erster Linie im Zeichen der Generationengerechtigkeit. Mit weniger Schuldenlast und Zinsausgaben sollen wieder neue Spielräume im Haushalt für Investitionen, Bildung, Forschung und Familie geschaffen werden.
Bereits jetzt hat die Fraktion mehr Spielraum gegenüber Stoiber gewonnen, der auf ein harmonisches Zusammenspiel besonders angewiesen ist. Nach dem bei Klausurende veröffentlichten ZDF-Politbarometer rangiert er auf der Liste der zehn beliebtesten deutschen Politiker weiter abgeschlagen auf dem letzten Platz. Auch bei der Benotung der bayerischen Spitzenpolitiker liegt er - jedenfalls nach der aktuellen Umfrage des Bayerischen Rundfunks - ganz hinten, gleichauf mit SPD-Landeschef Ludwig Stiegler. Ob die CSU mit Stoiber noch als Spitzenkandidat zur Landtagswahl 2008 antritt - wogegen sich bereits der unterfränkische Landtagsabgeordnete Sebastian Freiherr von Rotenhan ausgesprochen hat - bleibt offen.