Er war mit 27 Jahren der jüngste Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, später Oberbürgermeister von Wuppertal, 20 Jahre lang Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und schließlich von 1999 bis 2004 der zweite Sozialdemokrat im Amt des Bundespräsidenten: Johannes Rau. Am 16. Januar wurde er 75 Jahre alt, und Bundespräsident Horst Köhler ließ es sich nicht nehmen, ihm zu Ehren einen Geburtstags- empfang im Schloss Bellevue zu geben. Unter den 150 geladenen Gästen, Wegbegleitern und Freunden befanden sich auch Altbundespräsident Walter Scheel und Vizekanzler Franz Müntefering. Letzterer feierte an diesem Tag selbst Geburtstag: Müntefering wurde 66 Jahre alt.
Doch die Hauptperson des Tages fehlte: Rau, der sich 2004 einer Herzklappenoperation unterzogen hatte, fühlte sich gesundheitlich zu angeschlagen, um an dem Empfang teilzunehmen. Auch eine von seiner Heimatstadt Wuppertal geplante Geburtstagsfeier musste er absagen. Damit er die Ansprache Köhlers dennoch hören konnte, wurde die Feierstunde auf Tonband aufgenommen. Raus älteste Tochter Anna, die ihn mit ihren Geschwistern Laura und Philip vertrat, sagte im Namen ihres Vaters, er habe bis zuletzt gehofft, diesen Tag zusammen mit einigen der engsten Freunde und Weggefährten feiern zu können. Dieser sei aber leider einer der Tage, an denen er nicht mehr tun könne, was er sich vorgenommen habe. Darauf reagierten viele Gäste sichtlich besorgt. Bundespräsident Köhler sagte: "Wir sind alle traurig darüber, und wünschen ihm umso mehr von Herzen alles Gute."
Köhler, der Nachfolger Raus im Amt des Bundespräsidenten, erklärte in seiner Ansprache, dass er "dankbar an Vieles" anknüpfe, was sein Vorgänger geleistet habe. Besonders im Verhältnis zu Israel habe Rau durch seine vielen Reisen und der Hilfe auch für die jüdischen Gemeinden in Deutschland, Vertrauen erworben, auf das er nun aufbauen könne. Auch habe er, der bekennende Christ, die "Kulturen zum Dialog ermuntert und Respekt vor anderen Glaubensüberzeugungen eingefordert" und "beharrlich für ein Zusammenleben von Deutschen und Ausländern ohne Angst und ohne Träumereien" geworben. Dies sei ein wichtiger Anschub gewesen für die so genannte Süßmuth-Kommission und die Arbeit am Zuwanderungsgesetz. "Unterschiede nicht übergehen, aber Gemeinsamkeiten suchen; Brücken bauen statt Gräben ziehen; versöhnen statt spalten - das alles war bei Ihnen nicht nur so dahergesagt. Sie haben es durch Ihr Handeln beglaubigt", so charakterisierte der Bundespräsident den besonderen politischen Stil Raus.
Bundestagspräsident Norbert Lammert schloss sich dieser Einschätzung in einem Glückwunschschreiben an: "Auch und gerade als Bundespräsident machten Sie den Ihnen oft zugeschriebenen Titel als ,Menschenfischer' und ,Brückenbauer' zum Wohle unseres Landes alle Ehre." Wer im Ausland an Deutschland denke, tue das auch "dank Ihrer bewundernswerten Beharrlichkeit, mit der Sie die Strapazen einer Reisediplomatie auf sich genommen haben". Diese hätte während seiner fünfjährigen Amtszeit zu nicht weniger als 76 Auslandsreisen geführt. Lammert betonte, er hoffe sehr, dass Rau, der sich nie geschont habe, bald wieder genesen möge.
Bundeskanzlerin Angela Merkel schrieb, Rau habe "den Menschen immer wieder Mut und Hoffnung gemacht" durch Glaubwürdigkeit, seinen "feinsinnigen Humor und eine einfühlsame Rhetorik". "Sie haben maßgeblichen Anteil daran, dass die Bundesrepublik im Ausland, insbesondere in Israel und Polen, wieder zu einem angesehenen und respektierten Partner wurde", betonte Merkel. Raus Verdienste um Deutschland ließen sich daher "kaum angemessen würdigen".