Das Parlament: "Munich" startet in Israel am 23. Januar, in Deutschland drei Tage später. Der Medienberater von Ariel Sharon, Eyal Arad, organisierte für Sie und Ankie Spitzer eine Sondervorführung. Wie fanden Sie den Film?
Ilana Romano: Für Spielbergs-Mannschaft ist es eine Hollywood-Produktion, aber für mich ist es meine persönliche Tragödie. Ich befürchtete schreckliche Fotos der Leichen. Aber Spielberg zeigt die Leichen der Sportler nicht. Das finde ich gut. Die Szene, in denen die Fotos der (wirklichen) Sportler erscheinen, ist sehr berührend, würdevoll und historisch sehr genau. Die Figur meines Ehemannes ist genau der Mensch, den ich kannte: Jemand, der nicht wie ein Lamm zur Schlachtbank ging, sondern mit den Terroristen kämpfte und seine verwundeten Freunde nicht allein ließ. Uns allen fiel das Zuschauen aber schwer. Der Schmerz war im Gespräch danach spürbar. Alle waren sich jedoch darüber einig, dass der Film einen Beitrag zum Andenken an die Opfer von München leistet, das wir seit 33 Jahren lebendig halten.
Das Parlament: Im Vorfeld zum Film verlief der Kontakt der Produktionsfirma zu den Hinterbliebenen jedoch alles andere als einmütig. Was ist passiert?
Ilana Romano: 2002 erfuhren wir, dass Spielberg einen Film über die Münchner Olympiade 1972 dreht. Wir hielten es zuerst für einen großen Sieg für unser Anliegen und wandten uns an seine Produktionsfirma Dreamworks. Sie behauptete, nichts davon zu wissen. Wir fragten daraufhin, ob wir per Fax einige Fragen an Spielberg schicken könnten. Die Antwort war: "Wenn ihr Faxe schickt, werden sie direkt im Mülleimer landen." Im vergangenen August schickte dieselbe Produktion dann Schauspieler zu uns, die die Rollen unserer ermordeten Ehemänner spielen sollten. Wir sollten ihnen helfen, die Figuren zu erkunden, lehnten dann aber jede Zusammenarbeit ab, weil wir nichts über den Film wussten.
Das Parlament: Der Dialog mit Spielbergs Mannschaft entstand also erst nach den Dreharbeiten? Wer hat das vermittelt?
Ilana Romano: Wie gesagt, Eyal Arad, der die Öffentlichkeitsarbeit für den Film in Israel leitet, rief an und bat darum, dass wir einem Gespräch mit der Produktionsfirma von Spielberg zustimmen. Wir stellten klar, dass es uns darum geht, dass der Film das Andenken an die Sportler bewahrt und den Staat Israel nicht diffamiert. Wenn das der Fall sein sollte, würden wir ein Gespräch mit Spielbergs Team begrüßen.
Das Parlament: Wie war die Begegnung mit Spielbergs Mannschaft?
Ilana Romano: Spielbergs Mannschaft, darunter Co-Produzentin Kathleen Kennedy und Drehbuchautor Tony Kushner, kamen mit der DVD direkt vom Flughafen und warteten zweieinhalb Stunden draußen, weil wir uns den Film allein anschauen wollten. Nach dem Film haben wir noch eine Stunde für eine interne Diskussion unter den Hinterbliebenen gefordert, so dass die Begegnung erst nach Mitternacht begann. Kathleen Kennedy und Tony Kushner waren sehr einfühlsam: Es tue ihnen alles sehr leid. Sie entschuldigten sich, dass sie die Familien der Sportler nicht vor den Dreharbeiten miteinbezogen hätten. Es flossen Tränen bis morgens um halb drei, nicht zuletzt bei Kushner. Hollywood hat eine Lektion in Sachen Zionismus und Empfindsamkeit gelernt.
Das Parlament: Yosef Romano war mit 32 Jahren der beste israelische Gewichtheber und Vater dreier Töchter. Können Sie ihn beschreiben?
Ilana Romano: Yossi hat die Gewichte mit einem tötenden Blick in den Augen gestemmt. Aber als er seine Töchter in den Händen hielt, war er sehr zärtlich. Er hat sie niemals angeschrien. Ich war die strenge Person in der Familie. Er sorgte für die Streicheleinheiten.
Das Parlament: Der ebenfalls ermordete Ringertrainer Moshe Weinberg hat die Terroristen unter Androhung von Waffengewalt zu dem Zimmer geführt, in dem auch Yossi schlief. Dabei ging er an einem anderen Zimmer israelischer Sportler vorbei. Haben Sie ihm das jemals übel genommen?
Ilana Romano: Nein. Sein Kalkül war richtig, denn in dem anderen Zimmer wohnten ältere Menschen - der Mannschaftsarzt und der Mannschaftsdirektor. Weinberg ging zu den kräftigsten israelischen Sportlern, den Ringern und den Gewichthebern. Aber gegen die bewaffneten Mörder hatten auch sie keine Chance.
Das Parlament: Halten Sie "Munich" für einen antiisraelischen Film?
Ilana Romano: Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr zionistisch und liebe Israel sehr. Hätte der Film Israel geschadet, würde mich das persönlich treffen. Das ist aber nicht der Fall. Spielberg hat zum Beispiel die Panne im norwegischen Lillehammer nicht erwähnt, wo der Mossad 1973 irrtümlich einen marokkanischen Kellner erschoss, den sie für einen der Drahtzieher von München hielten. Spielberg hat seinen Film auch nicht "Rache" genannt.
Das Parlament: Stört es Sie, dass der Filmheld und Mossad-Agent Avner am Ende beschließt, die Organisation zu verlassen und in New York zu leben?
Ilana Romano: Ich würde Israel nicht verlassen, aber wir leben in einer Demokratie und jeder kann für sich selbst entscheiden. Wäre er in Israel geblieben, würde die Dramaturgie des Films möglicherweise an Spannung verlieren.
Das Parlament: Haben Sie jemals Rache an den Tätern gefordert?
Ilana Romano: Niemals. Die Terroristen sollten sich vor Gericht verantworten. Als Deutschland, Frankreich und Holland palästinensische Terroristen auf freien Fuß setzten, wurde mir klar, dass Israel keine andere Wahl hatte, außer sie zu jagen, um Terroranschläge zu vereiteln. Golda Meir sagte einmal: Hätten wir vor dem Terror kapituliert, wäre kein Israeli nirgendwo auf der Welt sicher. Und sie hatte Recht. Hätte die Welt mit uns kooperiert, wären die Anschläge in New York, London, Madrid und Amman nicht geschehen.
Das Parlament: Sie kämpfen seit Jahren dafür, dass der ermordeten Sportler bei der Eröffnung jeder Olympiade durch eine Schweigeminute gedacht wird. Will Steven Spielberg Sie dabei unterstützen?
Ilana Romano: Spielberg fand es schrecklich, dass ihrer nicht gedacht wird, und er will uns dabei helfen, das Internationale Olympische Komitee dafür zu gewinnen. Das ist eine Art Schwur, den wir unseren Kindern an jenem Tag 1972 leisteten. Die elf Israelis wurden auf olympischem Boden und als Söhne der Olympischen Bewegung ermordet. Ihrer muss man gedenken.
Das Parlament: Was erwarten Sie von Spielbergs "Munich"?
Ilana Romano: Der letzte noch lebende Terrorist von München, Abu Daud, sagte einmal, er wollte durch das Massaker das palästinensische Anliegen in einer Milliarde Haushalte bekannt machen. "München" soll in einer Milliarde Herzen an das bestialische Verbrechen erinnern.
Das Interview führte Igal Avidan