Doch die Inszenierung im Senatssaal löste keine große Begeisterung aus: Böhrnsens 15-Seiten-Papier unter dem blumigen Titel "Mit Entschlossenheit und Augenmaß die finanzielle Zukunft und die Selbständigkeit für den Stadtstaat Bremen sichern" kam den Pressevertretern teilweise recht bekannt vor. Manches erinnerte an Argumente, mit denen Bremen bereits vor zwei Jahrzehnten für mehr Gelder aus dem Länderfinanzausgleich gefochten hatte; andere Stichworte standen schon in der Regierungserklärung des im November gewählten Henning-Scherf-Nachfolgers. Immerhin: Dank des Papiers kann jetzt jeder genau nachlesen, was der SPD-Bürgermeister vorhat. Böhrnsen möchte den Zwei-Städte-Staat aus Bremen und Bremerhaven mit einer Dreifachstrategie retten: Sparen, Klagen Verhandeln.
Um einen strikten Sparkurs bemüht sich die große Koalition schon lange. Allerdings nur bei den so genannten konsumptiven Ausgaben. Für Investitionen schien dagegen immer Geld vorhanden zu sein, auch wenn es nur geliehen war. Mit dem Bau von Straßen, Tourismusprojekten und Gewerbegebieten sollte die Bremer Wirtschaft angekurbelt und damit letztlich mehr Geld in die Landeskasse gespült werden. Doch die Rechnung ging nicht auf: Trotz 8,5 Milliarden Euro Sanierungsbeihilfen des Bundes ist die Bremer Verschuldung im vergangenen Jahrzehnt von neun auf 13 Milliarden angewachsen.
Nun also will Böhrnsen wahr machen, was er schon als einstiger SPD-Fraktionschef gefordert hatte: auch bei den Investitionen zu kürzen. Neu ist die Maßzahl, die er dafür nennt: Die überdurchschnittlich hohen Investitionsausgaben pro Einwohner sollen schrittweise auf das Pro-Kopf-Niveau Hamburgs gesenkt werden.
Neu ist auch ein Detail beim Stichwort "Klage". Dass Bremen zum dritten Mal innerhalb zweier Jahrzehnte vors Bundesverfassungsgericht ziehen will, steht schon länger fest. Böhrnsen möchte diesen so genannten Normenkontrollantrag jetzt aber inhaltlich beschränken. Lediglich eine Teilentschuldung will er fordern, nicht aber - wie zunächst angedacht - auch den ganzen Länderfinanzausgleich erneut auf den Prüfstand stellen. Diesen Punkt will er zunächst lieber in Verhandlungen mit Bund und Ländern einbringen, und zwar bei den geplanten Gesprächen über die zweite Stufe der Föderalismusreform. Sein Ziel: Bremen müsse mehr vom Steuerkuchen abbekommen. Das kleinste Bundesland erwirtschafte zwar das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner, aber wegen des geltenden Finanzsystems bleibe davon viel zu wenig in der Landeskasse hängen. Böhrnsens Motto: "Wir fordern keine Almosen, keine Bevorzugung, keine Extrawürste", sondern einen Ausgleich für diese angebliche Benachteiligung.
"Das ist ein dornenreicher Weg", weiß der 56-Jährige, aber im Moment sieht er gute Chancen für einen Erfolg seines Rettungskonzeptes. Denn auch die neue Bundesregierung strebe eine grundlegende Reform der Finanzbeziehungen an und wolle außerdem die maritime Wirtschaft fördern, was Bremen mit seinen milliardenteuren Hafeninvestitionen sehr gelegen käme.
Mit seinem Strategiepapier will Böhrnsen auch das Heft des Handelns wieder in die Hand bekommen. In den vergangenen Wochen hatte die Hansestadt mehrere Angriffe auf ihre Selbstständigkeit parieren müssen. So hatte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) für das Ende der Bremer Eigenständigkeit plädiert, und Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) hatte sich dafür ausgesprochen, die rechtlichen Hürden für Länderfusionen zu senken. "Viel sachlich Falsches, viel Unsinniges" sei da gesagt worden, findet Böhrnsen, und seinen Genossen Sarrazin nennt er gar einen "politischen Amokläufer".
Der Bürgermeister lädt jetzt "alle konstruktiven Kräfte" dazu ein, sich an der Diskussion über sein Papier zu beteiligen. Der Koalitionspartner ist allerdings etwas verschnupft: Die CDU wäre gerne vorab beteiligt worden. Für sie kam das Konzept ebenso überraschend wie für die kurzfristig eingeladenen Journalisten.