Fast drei Jahre ist es her, dass die Vereinigten Staaten zusammen mit der "Koalition der Willigen" die militärische Intervention im Irak begonnen haben. US-Präsident George W. Bush wollte damals zwar in erster Linie das Saddam-Regime ausschalten - wobei er sich eine einschüchternde Wirkung auf die Nachbarstaaten erhoffte -, günstigstenfalls einen Wandel hin zu mehr Demokratie. Bush hatte aber im Vorfeld des Krieges, und darin sind sich Beobachter der nahöstlichen Szene einig, auch die riesigen Ölreserven des Iraks im Auge.
So sicherten sich vor allem US-Konzerne nach der militärisch erfolgreichen Phase Aufbauprojekte in Milliardenhöhe, an denen andere Nationen nur am Rande beteiligt waren.
Die erhofften Gewinne aus der Ölproduktion ließen aber zunächst auf sich warten. Das hatte zum einen mit den zerstörten Produktionsstätten zu tun, deren Wiederherstellung sich in einem oftmals feindlich gesonnenen Umfeld schwieriger als vor dem Reißbrett erwartet gestaltete. Zum anderen gab es in den vergangenen Jahren immer wieder schwere Rückschläge durch zerbombte Pipelines oder gezielte Terroranschläge auf Ölförderanlagen.
Die Folge davon ist, dass das Wirtschaftswachstum im Irak erheblich niedriger ausfällt als in anderen nah-östlichen Ländern. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist im vergangenen Jahr das irakische Wirtschaftswachstum lediglich um 2,6 Prozent gestiegen. Mit anderen Worten: Von den im vergangenen Jahr explosionsartig gestiegenen Ölpreisen hat das Zweistromland erheblich weniger profitiert als dies zu erwarten gewesen wäre, wenn im Irak wieder normale Verhältnisse geherrscht hätten.
Von der ersten, zumal von den Amerikanern verbreiteten Euphorie ist also nicht viel übrig geblieben; Realismus ist eingekehrt, auch in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Irak. Durch den Krieg waren die deutschen Exporte völlig zusammengebrochen. 1982 hatten sie noch - umgerechnet - vier Milliarden Euro betragen, absoluter Höchststand.
Auf die Frage, wie sich seit dem Kriegsende das Engagement der deutschen Firmen im Irak entwickelt hat, sagt der Irak-Experte des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Robert Dölger: "Es gibt durchaus positive Entwicklungen, zum Beispiel beim Wiederaufbau der Infrastruktur und der Grundversorgung der Bevölkerung. Teilweise hat es sicher auch überzogene Erwartungen gegeben, die nicht erfüllt worden sind." Es gebe, so Dölger, eine Anzahl von deutschen Unternehmen, die teilweise schon vor dem ersten Golfkrieg im Irak aktiv gewesen seien und über verlässliche Verbindungen in das Land verfügten.
Die deutschen Exporte hätten im vergangenen Jahr um die 350 Millionen Euro betragen, "also eine vergleichsweise bescheidene Größe", wie der Nahost-Wirtschaftsexperte hinzufügt. Das zentrale Problem bleibe die mangelnde Sicherheit, die auch Engagements im Irak behindere. Vor dem Hintergrund der Entführung der beiden deutschen Ingenieure betont Dölger, wegen der hohen Sicherheitsrisiken rate der BDI allen Unternehmen davon ab, deutsche Mitarbeiter in den Irak, insbesondere in den Zentral- und Südirak, zu entsenden. Im Nordirak scheine die Sicherheitslage etwas besser zu sein, aber auch dort gebe es Risiken. Dölger: "Es gibt durchaus Möglichkeiten, den irakischen Markt zu bearbeiten, ohne seine Mitarbeiter diesen Gefahren auszusetzen." In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass ganze Großfamilien ihren Wohnsitz in die jordanische Hauptstadt Amman verlegt hätten, von wo aus sie ihre Geschäfte betreiben.
Die Sicherheitslage beeinflusse viele Aspekte der unternehmerischen Tätigkeit. Die Anbahnung von Geschäften könne oft nicht vor Ort, so Dölger, sondern müsse im Ausland erfolgen. "Die Logistik ist schwierig, Montagen und Kontrollbesuche können oft ebenfalls nicht vor Ort erfolgen, sondern müssen von irakischen Partnern durchgeführt werden."
Auf die Frage, ob sich seit den Parlamentswahlen die Lage für die Wirtschaft im Irak gebessert habe, meint der Irak-Experte, noch sei es zu früh, die Wirkung der Parlamentswahlen zu beurteilen. Die Gespräche über die Regierungsbildung seien noch nicht abgeschlossen. "Positiv aus meiner Sicht ist es, dass sich die Sunniten erstmalig in großer Zahl an einem politischen Prozess beteiligt haben."
Inzwischen seien die von den Vereinigten Staaten eingebrachten 18 Milliarden US-Dollar Wiederaufbauhilfe im Wesentlichen in Projekte umgesetzt worden, erläutert Robert Dölger. "Nach unseren Beobachtungen sind deutsche Unternehmen in vielen Projekten als Unterlieferanten vertreten." Der Erdölsektor sei die wirtschaftliche Basis für einen schnellen Wiederaufbau des Iraks. Allerdings sei entgegen den ursprünglichen Erwartungen der Ausstoß im Jahre 2005 gefallen, auch wegen der hohen Anzahl von Anschlägen gegen die Einrichtungen. Hier sei wiederum eine verbesserte Sicherheitslage der Schlüssel für eine schnelle Erholung. Der Nachholbedarf an Investitionen in der Erdölindustrie liegt laut Dölger, der sich auf Schätzungen von Experten beruft, im zweistelligen Milliardenbereich.
Der Irak-Experte des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHK), Jochen Clausnitzer, schätzt die Zahl der deutschen Firmen mit Niederlassungen in dem Land auf 30 bis 40. Diese würden aber hauptsächlich mit Einheimischen arbeiten. Deutsche Firmenvertreter würden im allgemeinen nur kurz im Land sein. Größtes Projekt der Deutschen sei derzeit der Bau einer Zementfabrik im Norden des Landes. Das Projekt habe ein Volumen von rund 100 Millionen US-Dollar. Vor allem bei Nutzfahrzeugen, Dieselgeneratoren und Klimaanlagen seien deutsche Firmen im Geschäft.