Größer und bunter war in diesem Jahr der deutsche Stand auf der Internationalen Buchmesse in Kairo. Mehrere in Ägypten aktive Institutionen stellten sich mit Informationsmaterial und Präsentationen vor: Das Goethe Institut, die Deutsche Welle, der Deutsche Akademische Austauschdienst und das Deutsche Archäologische Institut. Und es ging lebendiger zu. Junge Ägypter und Ägypterinnen informierten sich über Studien- oder Stipendienmöglichkeiten in Deutschland und nach dem Preis für Deutschkurse.
Deutsche Bücher sollten arabische Lizenzkäufer anlocken: Ratgeberliteratur, Belletristik, Titel aus der Islamwissenschaft, Schulbücher, Bücher über Fußball oder Kinderbücher. Beratung dazu gab es von den Vertreterinnen der Frankfurter Buchmesse. Ägyptische Buchhandlungen verkauften deutsche Bücher und Übersetzungen aus dem Deutschen. Auf einem Podest im hinteren Teil des Standes mit Plüschtieren und Kinderbüchern fanden zahlreiche Veranstaltungen für kleine Besucher statt.
Die Buchmesse in Kairo präsentierte sich diesmal etwas anders. Die ägyptischen Kulturfunktionäre hatten sich vorgenommen, Anregungen vor zwei Jahren während des arabischen Schwerpunktes in Frankfurt jetzt in Kairo umzusetzen. Dazu gehörte die Idee des Gastlandes, die in der ägyptischen Öffentlichkeit positiv aufgenommen wurde, weil sie frischen Wind in den verstaubten Ablauf der letzten Jahrzehnte bringt. Eine andere Idee, die ersten Tage der Messe für Fachbesucher zu reservieren, stieß auf weniger Zustimmung, besonders seitens der Verleger. Alle arabischen Buchmessen sind Verkaufsmessen, und die Verleger beziehen einen wesentlichen Teil ihres Umsatzes von diesen Messen. Der Handel mit Lizenzen spielt im arabischen Buchmarkt bis heute keine Rolle.
Das umfangreiche Begleitprogramm des Ehrengastes während der Messetage bot Lesungen, Gespräche mit Chamisso-Preisträgern, Diskussionsrunden zum Thema Orientalismus, arabische Literatur auf dem deutschen Markt, das Bild der arabischen Welt in den deutschen Medien oder die Fotoausstellung "Frauen im Orient, Frauen im Okzident". Schade, dass die Veranstalter sich bei beim literarischen Teil des Programms ausschließlich auf junge deutsche Autoren konzentriert haben.
Es ist wichtig, das ägyptische Publikum mit der neuen Entwicklung in der deutschen Literatur bekannt zu machen, aber man sollte die Schwierigkeiten, die die deutsche Literatur in arabischer Übersetzung erlebt, nicht übersehen. Zeitgenössische deutsche Autoren wie Günter Grass oder Hans Magnus Enzensberger liegen in arabischer Übersetzung vor, werden aber von arabischen Lesern kaum wahrgenommen. Der Verkaufsschlager deutscher Belletristik in der arabischen Welt ist seit Jahrzehnten Hermann Hesse.
Zu lebhaften Diskussionen kam es auf Veranstaltungen, an denen der deutsch-türkische Schriftsteller Zafer Senocak teilnahm. Er beließ es nicht bei Floskeln und Höflichkeiten, sondern sprach einerseits von dem schwierigen Prozess der Säkularisierung und Demokratisierung, den die Türkei seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts durchläuft.
Andererseits legte er die Schwierigkeiten eines demokratischen Landes wie Deutschland dar, mit Menschen umzugehen, die nicht deutschen Ursprungs sind. Auf die Frage einer Ägypterin mit Gesichtsschleier, ob sie mit dieser gottgefälligen Kleidung, wie sie es ausdrückte, in Deutschland ohne Probleme leben könne, antwortete Zafer Senocak, dass es wahrscheinlich für sie nicht leicht werden würde; er selber glaube nicht, dass der Islam diese Totalverschleierung vorschreibe.
Ungeachtet des deutschen Schwerpunktes in Kairo blicken die deutsch-ägyptischen Kulturbeziehungen auf eine lange Tradition zurück. Im Jahre 1907 ist das Deutsche Institut für Ägyptische Altertumskunde in Kairo gegründet worden, das in den 20er-Jahren dem Deutschen Archäologischen Institut angegliedert wurde. Die bis heute engen Kontakte zwischen der deutschen und der ägyptischen Ägyptologie gehen darauf zurück. Seit 48 Jahren existiert ein Goethe Institut in Kairo. Und auch wenn die Germanistik in Ägypten auf dem Forschungsstand der 70er-Jahre stehen geblieben ist, so gilt sie doch von der Zahl der Studierenden und der Fakultäten als die bedeutendste in der arabischen Welt. Deutsch wird an ägyptischen Schulen als zweite Fremdsprache immer beliebter.
Die Buchmesse in Kairo ist immer auch ein Indikator für das politische Klima im Land. Zur Überraschung vieler Verleger gab es dieses Jahr fast keine Zensur. Eine Erklärung dafür mag der Einzug von über 80 Kandidaten der islamistischen Muslimbruderschaft in das ägyptische Parlament im vergangenen Dezember sein. Nachdem die ägyptischen Behörden früher nie davor zurückschreckten, säkulare und religionskritische Bücher zu konfiszieren, waren sie dieses Jahr bemüht, sich gegenüber der islamistischen Opposition als liberal zu profilieren.