Ein Schüler hält ein Referat über Südafrika. Nichts Besonderes also - sieht man einmal davon ab, dass der 13-Jährige statt der guten alten Tafel ein interaktives Smartboard benutzt, auf dem er ohne Maus und Tasten schreiben und zeichnen kann. Alles, was sein Stift auf der elektronischen Tafel hinterlässt, wird in Druckschrift umgewandelt und gespeichert. Ein Mitschüler fragt: "Sag mal, wie groß ist eigentlich Kapstadt?" Der Junge tippt auf das Internetsymbol seines Smartboards, eine Luftaufnahme der Küstenstadt erscheint. Um die nächste Frage zu beantworten, muss er zu einer früheren Stelle seines Referates zurückkehren. Klick, klick, ist er wieder auf der richtigen Seite - und erklärt noch einmal, was an der Tafel längst weggewischt worden wäre.
So kann er aussehen, der Einsatz neuer Medien im Unterricht. Und wer sich an Schulen umschaut, an denen seit Jahren außer ins Buch auch auf den Bildschirm geguckt wird, stellt fest, dass es nicht viel gibt, was sich nicht auch auf Lernsoftware und ins Internet übertragen lässt. Es gibt Computerprogramme, die das richtige Sprechen und solche, die das richtige Schreiben unterstützen, Suchmaschinen für Grundschüler und Internet-Plattformen, die das so häufig vermisste freiwillige Lesen anregen - indem sie aus jedem Buch ein Quiz machen und den Kindern Fragen stellen, mit deren Hilfe sie sich mit ihren Klassenkameraden messen können. Und: Der Unterricht muss auch gar nicht mehr nur im Klassenraum stattfinden. "Digi Lessons" sind digitale Lektionen im Netz, mit deren Hilfe sich kranke Kinder auf dem Laufenden halten und die auch allen anderen ermöglichen, zu Hause oder in der Schule am Rechner zu lernen, in ihrem eigenen Tempo, alleine oder in der Gruppe.
Wer weiß, wie kreativ mit Rechnern gearbeitet werden kann, den wundert auch nicht, was die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung (OECD), die ihre PISA-Daten auf immer neue Detailerkenntnisse hin durchleuchtet, nun herausgefunden hat: "Erfahrene Computernutzer bringen in wichtigen Schulfächern bessere Leistungen", erklärte OECD-Direktorin für Bildungswesen Barbara Ischinger bei der Vorstellung der PISA-Folgestudie "Haben Schüler das Rüstzeug für eine technologieintensive Welt?" Ende Januar in Paris. Untersucht hat die OECD vor allem den Zusammenhang zwischen Rechner- und Rechenkünsten in der Mathematik, dem Schwerpunktfach der zweiten PISA-Schulstudie. Dabei kamen die Forscher zu dem Schluss, dass die Rechenleistungen von Schülern mit wenig Computererfahrung mit durchschnittlich 436 Punkten auf der PISA-Skala fast hundert Punkte hinter jenen Mitschülern liegen, die seit mindestens fünf Jahren am Computer arbeiten. Anders gesagt: Die Nichtnutzer liegen etwa dort, wo griechische und türkische Schüler bei PISA stehen; die Nutzer stehen auf einer Höhe mit den Schweizer 15-Jährigen und sind etwa ein Schuljahr voraus.
Da wäre es doch schön, wenn die deutschen Schulen dazu beitrügen, dass ihre Schüler in Sachen Informationstechnologie auf Erfolg versprechendem Niveau ins Leben entlassen werden. Leider ist das Gegenteil der Fall: Obwohl Ex-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) 2003 stolz "Alle Schulen sind am Netz" verkünden konnte, lernt immer noch nur eine Minderheit der Schüler, sich darin auch zielorientiert zu bewegen. "In keinem Industriestaat werden Computer und Internet so selten als Lernwerkzeug genutzt wie in Deutschland", sagt Martin Senkbeil vom Kieler Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften, das die PISA-Studie in Deutschland durchgeführt hat. Als voll integrierter Begleiter im Unterricht ist der Computer eine Ausnahme.
Aber ist der relativ seltene Computereinsatz an deutschen Schulen überhaupt ein Manko? Die deutschen Schulleiter finden das jedenfalls nicht: Nur jeder Dritte sieht Computermangel an Schulen als didaktischen Nachteil. Das, konstatiert die OECD, könnte bedeuten, dass "sich die Schulleitungen des Potenzials der Computer für Lehren und Lernen nicht so bewusst sind, wie dies in anderen Ländern der Fall ist." Dafür spricht auch, dass deutsche 15-Jährige durchaus überdurchschnittlich oft an Computern arbeiten und das Internet nutzen, aber nur im Ausnahmefall den Computer mit der Schule in Verbindung bringen. Nur jeder Zehnte gibt den Unterricht als oberste Vermittlungsinstanz an; alle anderen haben ihr Wissen von Freunden, Familie oder in fleißiger Heimarbeit erworben. Das heißt auch, dass manche Schüler mehr und andere weniger wissen, weil sie aus verschiedenen Elternhäusern kommen und verschiedene Schultypen besuchen: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben vier von fünf Abiturienten Zugang zu einem Computer - aber nur jeder zweite Hauptschüler.
Ist damit vielleicht auch erklärt, warum Schüler, die am Computer arbeiten können, besser in Mathe sind? Kritiker werfen der OECD vor, Computerbesitzer seien nicht vor allem schlauer, sondern kämen eben überdurchschnittlich häufig aus einer privilegierten Familie und die seien statistisch immer besser in der Schule. Die Ökonomen Thomas Fuchs und Ludger Wößmann vom Münchner Ifo-Institut haben anhand der PISA-Daten schon im vergangenen Jahr vorgerechnet, dass der Zugang zu Computern zu Hause vor allem ein Hinweis auf den besseren sozialen Status des Schülers sei. Und - dass ein bisschen Computer zwar gut tut, viel Computer aber schadet: Wer Tag und Nacht am Rechner rumdaddelt, und das sind nicht wenige, wird - wenig überraschend - nicht besser, sondern schlechter in der Schule.
Alles in allem ist der Computer an sich vor allem eines: ein Werkzeug, das sich ebensogut äußerst sinnvoll wie äußerst sinnlos einsetzen lässt. Die entscheidende Lehre ist wohl eine andere als die, dass der PC schlau macht: Die deutsche Schule schafft es nicht, Ungleichheiten auszugleichen - nicht einmal beim Umgang mit der Maus.