Der Nationalsozialismus ist das Böse schlechthin. An "tausend Jahre" Heiterkeit jedenfalls fühlt sich niemand erinnert. Doch seit der Entstehung des Flüsterwitzes, nicht zuletzt im Dritten Reich selbst, hat man schon über Hitler gelacht. Für den amerikanischen Kultkomiker Mel Brooks ist dieser Humor eine ambivalente Geschichte. Bereits 1968 hat er sich mit diesem Thema in seiner Filmkomödie "The Producers" auseinandergesetzt. Der Film über zwei gerissene Broadway-Produzenten, die das schlechteste Musical aller Zeiten auf die Bühne bringen wollen, genießt längst Kultstatus. Brooks Film ist eine Zote über Führer, Volk und Mutterwitz. Denn die von ihm erdachten Produzenten entscheiden sich für eine Handlung, die für eine bunte Broadway-Show eigentlich gänzlich ungeeignet sein sollte: Den Aufstieg eines österreichischen Gefreiten zum Führer des Deutschen Reiches. In ihrem Stück "Springtime for Hitler" hätten selbst Optimisten den Grundstock für einen "bombensicheren" Flop sehen müssen. Doch es kommt anders. Nach der Prämiere ist der Broadway außer sich. Das Publikum tobt. Nicht vor Entsetzen, sondern vor Entzücken. Aus der angestrebten Nazi-Pleite ist in Brooks Film über Nacht eine regelrechte Hitler-Hausse geworden.
In dieser Woche kommt Brooks Klassiker über zwei Theatermacher und deren Drittes Reich der Phantasie in einer Neuverfilmung zurück auf die Leinwand. Nathan Lane, Matthew Brooderick, Uma Thurman und Will Ferrell dokumentieren noch einmal, wie schnell ein Publikum in Ekstase versetzt werden kann, bekommt es ein paar schräge Nazigrößen vor die Nase gesetzt.
Jahrelang war die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vor allem von Ernst getragen. Und musste es sein. Eine andere Annährung an die Geschichte war nicht denkbar. Doch nicht nur die Neuverfilmung von "The Producers" zeigt, dass Humor und Slapstick als Rezeptionmethode möglich geworden sind. In immer mehr Kinofilmen und auf zahlreichen Theaterbühnen ist Hitler und Gefolgschaft eine bizarre Mannschaft in grotesker Pose. Was bedeutet es, über Täter zu lachen, die "banal" und monströs zugleich erscheinen? Stoßen Komödien und Satiren an eine Grenze? Oder liegt gerade im anarchischen Impuls des Komischen, in der Schamlosigkeit des Lachens eine Chance, sich dem Ungeheuerlichen des Holocaust und seinen Folgen provokativ anzunähern?
Dass die Mischung aus Hakenkreuzrequisiten, Blödel-Hitler und braunem Entertainment nicht nur in Brooks fiktiver Kinoshow zündet, das haben in jüngster Zeit einige Theater im Realitätstest erproben können. Unter Verzicht auf die Rahmenhandlung um die zwei ausgebrannten Theaterproduzenten hat etwa vor knapp einem Jahr der Autor Jürgen Kuttner zum großen NS-Unterhaltungsabend in die Berliner Volksbühne geladen. Unter dem Titel "Good bye, Adolf Hitler" nahm seine Revue alles aufs Korn, was weder Täter, Mitläufer und Opfer leicht hätten belachen können. Kuttner hatte gezeigt, dass auf den luftigen Höhen des Obersalzberges noch lange nicht Schluss mit lustig sein muss. Mit schrillen Liedumdichtungen wie "Schuld war nur der Adolf Hitler" bot man an der Volksbühne die vermutlich erste familientaugliche Schicklgruber-Show.
Hitler als Spaßgröße entkrampfter Abendunterhaltung? Für immer mehr Regisseure scheint sich im Nazi-Nonsens eine Wunderwaffe für zünftige Kassenknüller zu verbergen. So läuft etwa im Ballhaus Ost, einem Berliner Off-Theater am Prenzlauer Berg, seit kurzem ein ähnlich erfolgreiches Blödel-Format des Autors Uwe Moritz Eichler. Titel: "Don't cry for me, Adolf Hitler". Den letzten Coup in dieser Reihe aber hat jüngst der Regisseur Dani Levy gelandet. Für die Anfang des Jahres begonnenen Dreharbeiten zu seiner NS-Gaudi "Mein Führer - die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" hat Levi laut Berichterstattung der "Berliner Zeitung" niemand Geringeren für die Rolle des Hitlers gewinnen können, als den Dada-Gecken Helge Schneider.
GröFaZ (Größter Führer aller Zeiten) goes Hanswurst. Seit den Tagen von Chaplins "Großem Diktator" ist diese Szenenabfolge bekannt. Doch darf man über Massenmörder wirklich lachen? Der Skandal, den vor einem Jahr Prinz Harry auslöste, als er zu einem Kostümball als Adolf Hitler verkleidet erschien, zeigt: Es kommt darauf an, wie gelacht wird. Es kommt darauf an, wer lacht. Eine Wende tritt dort ein, wo aus bissiger Satire reine Faxen werden, die ohne Ironie auskommen wollen.
In den Revuen und Filmen, die derzeit laufen, ähneln sich Bilder und Vorstellungswelten. Mal erscheint Hitler als der größte Klemmi und Onanist, mal als nicht geoutete Tunte. Mal steckt im Übermenschen der lupenreine Spießbürger, mal ein Großmaul, dem die Barbarei nicht einmal auf eigenem Mist gewachsen ist. Es sind Bilder aus der Mottenkiste der Legenden. Wenn etwa in Brooks Producers ein schwuler Regisseur auf die Frage, wie man Hitler mit Erfolg auf die Bühne bringe, immer wieder antwortet: "Keep it gay" und die gängigen Nazirevuen mal mit schwulen, mal mit weiblichen Hitler-Darstellern aufwarten, dann ist das in etwa so einfältig komisch, wie die seit Erscheinen von Albert Speers Autobiografie gestellte Frage, ob Hitler und sein Baumeister nicht ein kleines Techtel-mechtel gehabt hätten. Von der Wissenschaft sind diese Bilder widerlegt. Im Klamauk aber werden sie tradiert. Für den Karikaturisten Achim Greser, der in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre mit der legendären Bildserie "Der Führer privat" für das Satiremagazin Titanic von sich reden gemacht hat, muss ein Witz in diesem Punkt nicht historisch authentisch sein. Wichtig sei vielmehr, dass er auf ein Wissen zurückgreife, das bei einem breiten Publikum als bekannt vorausgesetzt werden könne. Klischees und Mythen bieten sich hierfür wie von selbst an. Eine Fama um sexuelle Abnormitäten, einst von Autoren wie Erich Fromm oder Alice Miller beschrieben, wandert auf diese Weise weiter um die Welt. Da mag die Historikerin Dagmar Herzog in ihrer Untersuchung "Die Politisierung der Lust" erst jüngst erneut nachgewiesen haben, dass die Vorstellung von der geknechteten Libido unterm Hakenkreuz ein Hirngespinst sei - das Publikum ist trotzdem amüsiert.
Über die Nazis will eben gelacht werden. Schon weil die Aufarbeitung des Nationalsozialismus mit schweren Traumata verbunden war und ist, ist Humor auch ein Mittel der Befreiung. Karikaturist Achim Greser hat jedoch noch eine andere Erklärung: "Schauen Sie sich die Originalaufnahmen und Tondokumente der Zeit an. Die sind doch an sich schon grotesk und komisch." Eine Feststellung, der Mel Brooks sicherlich zustimmen würde. Immerhin lässt er seine Theaterleute auf den wütenden Einspruch eines Neo-Nazis, sie hätten einen Deppen aus Hitler gemacht, entgegnen, dass der hierfür sicherlich nicht ihre Hilfe gebraucht hätte.
Doch derartige Einsichten finden sich nicht in all den neuen Produktionen, in denen die Hitlerdarsteller als Ulknudel zwischen Komikern und Cancan-Girls auftreten. Nicht selten geraten diese Stücke zu saftlosen Revuen vor historischer Kulisse. Uwe Moritz Eichlers "Don't cry for me, Adolf Hitler" etwa scheint die Reichsadler und Stahlhelme, die Parteiabzeichen und NS-Devotionalien lediglich dafür zu nutzen, um dazwischen ein paar lustige Schlager der 30er-Jahre zu quetschen. Die Zeiten, in denen Charlie Chaplin hintersinnig mit einer Weltkugel auf dem ausgestreckten Zeigefinger spielte, sind vorbei.