Nun, man mag jugendlichen Überschwang, politischen Feuereifer, Sturm und Drang in diesem Buch am Werk sehen. Mit Verve propagiert der gerade mal 22-jährige Autor die "Solare Revolution", der er den gleichen historischen Rang wie der Aufklärung, der Französischen Revolution oder der Industriellen Revolution zumisst. Die solare Zäsur solle "zum Jahrhundertprojekt der Menschheit werden", proklamiert Wolfgang Gründinger: "Wir müssen umsteuern. Sofort und radikal." Der Siegeszug der erneuerbaren Energien, zu denen neben der Sonne auch Wind, Wasser, Biomasse und Geothermie gehören, sei technisch machbar sowie wirtschaftlich und finanziell möglich. Der Verfasser spricht gar von einer "solaren Vollversorgung".
All das klingt nach einer Kampfschrift mit gängigen Forderungskatalogen, wie man sie aus dem umweltpolitischen Lager häufig vernimmt und die so manche Skeptiker zu einem inhaltlichen Verriss verlocken. Zwischen den Zeilen schimmert durchaus auch das Visionär-Utopische durch, selbst wenn der Autor dies abstreitet. Eine "solare Vollversorgung": Das klingt auch nicht unbedingt realistisch. Aber Gründinger macht es Gegnern einer konsequenten Energiewende alles andere als einfach: Kritiker müssen erst einmal die faktenreiche Analyse der negativen Aspekte des fossil-atomaren Energiesystems und wie auch der positiven Potenziale der Sonnenenergie widerlegen.
Es ist wahrlich nicht das erste Buch, das die Klimakatastrophe wie die Gefahren der Kernkraft seziert und sich für eine ökologisch orientierte Energieversorgung stark macht. Was an diesem Band indes zunächst einmal ins Auge springt, ist der Autor: Zur Feder gegriffen hat nicht einer der etablierten Repräsentanten der Umweltpolitik, der Öko-Verbände, der Wissenschaft oder der Wirtschaft, sondern ein Vertreter der jungen Generation, der noch mitten in seinem Studium der Politologie, Soziologie und Volkswirtschaft steckt. Gründinger kann indes bereits als Fachmann gelten, auch dieses Buch liefert den Beleg: Er mischte als Delegierter auf UN-Umweltgipfeln mit, ist in der SPD aktiv und zählt zu den Gründern eines internationalen Jugendnetzwerks für Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit, dessen englisches Kürzel YOIS lautet.
Leicht und flott zu konsumieren ist dieses Werk nicht, wobei Gründinger den wissenschaftlichen Duktus weithin zu meiden sucht und für schwierige Zusammenhänge auch einfache Worte findet. Doch um die Auseinandersetzung mit den vielen Daten und Statistiken, mit denen der Verfasser seine Position untermauert, kommt der Leser nicht herum. So ist nicht nur ein politisch engagiertes, sondern auch ein wissenschaftlich geprägtes Buch entstanden. Diese Mischung macht die Lektüre recht spannend.
Gründinger rechnet penibel die Endlichkeit der nur noch einige Jahrzehnte zur Verfügung stehenden Vorkommen an Uran, Erdöl und Erdgas vor, Kohle kann immerhin noch fast 200 Jahre ausgebeutet werden. Die Ursachen und die dramatischen Auswirkungen des Treibhauseffekts, die Risiken der Kernkraft von Unfallgefahren über die ungelöste Entsorgung des strahlenden Mülls bis zu eventuellen Terroranschlägen auf Nuklearmeiler, fossile und atomare Energiesysteme als gigantisches Subventionsgrab - der Autor präsentiert eine eindringliche Tour d'horizon. Als besonders aufschlussreich darf jenes Kapitel gelten, in dem Gründinger den militärischen Kampf um Rohstoffe nicht bloß als böses Menetekel für noch ferne Zeiten beschwört: Ob im Nahen und Mittleren Osten, in Angola, im Sudan, in Tschetschenien - schon heute schwingt bei blutigen Konflikten der Krieg um Öl und andere Ressourcen mit.
Gewiss, in dem Text finden sich keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Gründinger gelingt es jedoch, Analysen und Thesen schlüssig, kompakt und übersichtlich zu präsentieren: sozusagen ein kritisches Handbuch der Energiepolitik. Diese Auseinandersetzung dominiert den größten Teil des Bands. Etwas kurz kommt die Skizzierung von Alternativen, für den Verfasser die "solare Revolution". Aber es bleibt nicht beim Plakativ-Visionären, Gründinger nennt auch konkrete Schritte auf dem Weg zur Umsetzung dieses Ziels: etwa die Weiterentwicklung der Öko-Steuer, die Abschaffung der Subventionen für fossil-atomare Energien, ein solares Investitionsprogramm oder einen solaren "Weltmarshallplan". Solche Forderungen stoßen natürlich auch auf Widerstand, der sich ebenfalls begründen lässt: Man denke nur an den Streit um die Zukunft des Bergbaus. Aber der Autor ergreift ja Partei - was sich angesichts der fundierten Faktenfülle in dem Band aber nicht als Lobbyismus abtun lässt.
Wolfgang Gründinger: Die Energiefalle. Ein Rückblick auf das Erdölzeitalter. Verlag C.H. Beck, München 2006; 288 S., 12,90 Euro.