Die CDU Brandenburg unter Vorsitz des stellvertretenden Ministerpräsidenten Jörg Schönbohm (67) kommt nicht zur Ruhe: Seit Wochen jagen sich die Gerüchte über eine unerlaubte Überprüfung der elektronischen Post führender Mitglieder des CDU-Landesvorstandes und der CDU-Landtagsfraktion durch die CDU-Landesgeschäftsstelle unter CDU-Generalsekretär Sven Petke (38) und Landesgeschäftsführer Rico Nelte.
Außerdem bildete sich in Cottbus für die Wahl des Stadtoberhauptes am 22. Oktober gegen den Willen von Schönbohm ein Wahlbündnis unter anderem mit der PDS und der FDP, um den seit der Abwahl der parteilosen Karin Rätzsel amtierenden Oberbürgermeister Holger Kelch (39) durchzusetzen. Nun hat CDU-Chef Schönbohm die Reißleine gezogen und sowohl Petke als auch Nelte gefeuert.
Im Hintergrund geht es um die Nachfolge von Schönbohm. Der hatte 1999 die absolute Mehrheit der SPD in Brandenburg durchbrochen. Seitdem regiert in Potsdam eine große Koalition. Die brandenburgische Union erkennt Schönbohms Verdienste zwar an, will den "Alten" aber möglichst bald loswerden - zunächst als Landesvorsitzender und zu einem späteren Zeitpunkt auch als stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister. Obwohl Schönbohm immer wieder seinen Rücktritt angekündigt hat, hat er wohl inzwischen den besten Zeitpunkt verpasst. Nun wurden die partei-internen Auseinandersetzungen für Schönbohm selbst gefährlich. Er musste handeln und ausgerechnet seinen politischen Ziehsohn Petke opfern.
Schönbohm, der bereits im kommenden Frühjahr seinen Stuhl als CDU-Chef räumen will, favorisiert für die Nachfolge Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns. Diesen beauftragte er auch mit einer internen Untersuchung der E-Mail-Affäre, die durch öffentliche Anschuldigungen des jungen Netz-Dienstleisters Daniel Schoenland ins Rollen gekommen war. Offensichtlich hat nun der intern vorgelegte Bericht von Junghanns den CDU-Chef zum Handeln gezwungen.
Inzwischen interessiert sich auch die Cottbusser Staatsanwaltschaft für die Vorgänge in der CDU-Landesgeschäftsstelle, denn sie ist zuständig für Internet-Kriminalität.
Petke, der in den 90er-Jahren unter anderem für den brandenburgischen Verfassungsschutz arbeitete, war 1999 in den Landtag eingezogen und 2004 Generalsekretär der Landes-CDU geworden. Er wurde immer von Schönbohm gefördert. Doch Petke ist immer wieder in der eigenen Partei angeeckt. Das machte ihn aber zugleich auch bekannt. Parteiintern heißt es, Petke sei ein Opfer seines eigenen Ehrgeizes geworden.
Offensichtlich aber genießt der Gefeuerte nach wie vor die Unterstützung der jungen Parteimitglieder und jüngeren Kreisvorsitzenden. Petke kündigte nun an, für den Landesvorsitz kandidieren - für den Fall, dass ihn nicht doch noch die E-Mail-Affäre einholt.
Nicht nur das Vertrauen Schönbohms hat Petke sich verscherzt, sondern auch das der einflussreichen Kulturministerin Johanna Wanka und der Justizministerin Beate Blechinger. Beide haben den Verdacht, dass auch ihre E-Mail-Post ausspioniert worden ist. Seit längerem hatten sie gefordert, Petke solle sein Amt ruhen lassen. Doch das lehnte er ab.
Intern schwelt freilich auch das Vorpreschen des CDU-Kreisverbandes Cottbus weiter, ausgerechnet mit der PDS (aber auch der FDP und der im Stadtrat vertretenen Frauenpartei) ein Wahlbündnis zu schließen. Dieses soll über den Wahltag am 22. Oktober hinaus gültig sein. Bis 2008 will man im Stadtrat gemeinsame Politik machen, und sollte der CDU-Mann Kelch gewählt werden, will dieser seine Parteiämter niederlegen und als "neutraler" Oberbürgermeister amtieren.
Allerdings hat Kelch nun in Frank Szymanski (50) einen sehr einflussreichen Herausforderer gefunden. Denn Ministerpräsident und SPD-Landeschef Matthias Platzeck schickt keinen Geringeren als seinen Infrastrukturminister, der aus Cottbus stammt, ins Rennen. Unterstützt wird Szymanski von den Grünen. Noch haben die CDU-internen Auseinandersetzungen nicht die Landesregierung erreicht, in der aber bei einem weiteren Schwelen der CDU-Krise Innenminister Schönbohm geschwächt werden dürfte.
Die Vorgänge in Cottbus haben freilich die brandenburgische SPD in Erstaunen versetzt. Denn bislang hatte die CDU immer den Verdacht, Platzeck könnte auch mit der PDS eine Koalition bilden (was stimmenmäßig möglich wäre). Nun schmiedet ausgerechnet die CDU ein Wahlbündnis mit der PDS, in der der Linkspartei auch manche politische Zugeständnisse für die Kommunalpolitik in der Lausitz-Metropole gemacht werden. Freilich lehnt Schönbohm das Cottbusser Experiment ab und fühlt sich auch in dieser Frage nicht von seinem ehemaligen Generalsekretär hinreichend informiert.