Vom fliegenden Klassenzimmer war bisher einiges bekannt, vom radelnden Bundestag dagegen weniger. Bisher. Bei strahlendem Sonnenschein konnten sich vergangene Woche knapp 50 Parlamentarier, Mitarbeiter, Praktikanten und ein Staatssekretär per Drahtesel die Tücken der Fahrradpolitik "er-fahren".
Das "Fahrrad als Verkehrsinstrument" ins Bewusstsein der Bevölkerung "fahren", sei das Ziel, sagt die Abgeordnete und Initiatorin des Lobby-Ausflugs, Heidi Wright. Dafür tritt sie gerne selbst in die Pedale und kommt dabei - wie ihre Mitradler - teilweise ganz schön ins Schwitzen. Denn auch wenn es bis auf eine Autobahnbrücke keine Steigungen zu meistern galt und es eher gemächlich voran ging, war den Pedaleuren die Anstrengung anzusehen. Heribert Guggenthaler, Referatsleiter in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, hatte die rund 16 Kilometer lange Strecke entlang der Spree durch Mitte, Moabit und Charlottenburg ausgesucht. Er präsentierte die versammelten Schwachpunkte der Radverkehrspolitik der Hauptstadt: fehlende Straßenübergänge, kilometerlange Kopfsteinpflasterabschnitte und radunfreundliche Splittwege. Aus Sicht der Fahrradpolitiker besonders brisant ist die Wegesituation an Bundeswasserstraßen und an Bundesautobahnen - das erlebten die Polit-Radler am Charlottenburger Verbindungskanal und der A100 am eigenen Leib. Dort kommt es immer wieder zu Rangeleien um Zuständigkeiten und Kompetenzen, die einen besseren Streckenausbau erschweren oder gar unmöglich machen. Denn vielfach existieren an Bundeswasserstraßen und -autobahnen gut ausgebaute Betriebswege, die nicht für den Fahrradverkehr geöffnet sind, obwohl sie es sein sollten. "Das verstehe ich nicht, warum das hier in Berlin nicht klappt", sagt Radlerin Wright. Um dieses Problem wolle sie sich nun verstärkt kümmern, versprach sie Mitradlern und Senatsangestellten.
Erfreut über das Engagement der Volkvertreter - unter ihnen auch der Parlamentarische Staatssekretär im Umweltministerium Michael Müller - zeigte sich neben den beim Senat Verantwortlichen auch Benno Koch, seines Zeichens Berliner Fahrradbeauftragter: "Wenn Politiker mal mit dem Fahrrad fahren, hat das schon eine immense Wirkung."
Im kommenden Jahr wollen sich die Politiker der "Großen Fahrradkoalition" wieder auf den Sattel schwingen. Vielleicht wundern sich die Passanten dann schon etwas weniger über den Klassenausflug im Anzug.