Wirtschaft und Technologie. Die Unterscheidung zwischen neuen Märkten und neu entstehenden Märkten ("emerging markets") hat die Sachverständigen bei einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses am 23. Oktober beschäftigt. Gegenstand war der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telekommunikationsrechts ( 16/2581) und hier vor allem der geplante neue Paragraf 9a.
Er sieht vor, dass die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde in "neuen Märkten" künftig nur noch eingreifen darf, wenn ansonsten langfristige Wettbewerbsbehinderungen eintreten würden. In der Öffentlichkeit war diese Regelung auch als "Lex Telekom" bezeichnet worden, weil der Marktführer für den Aufbau des neuen Glasfaser-Hochgeschwindigkeitnetzes (VDSL) für eine gewisse Zeit von Eingriffen der Bundesnetzagentur freigestellt würde.
Die Deutsche Telekom AG hat in ihrer Stellungnahme den Begriff "Lex Telekom" allerdings zurückgewiesen und betont, auch Netzbetreiber wie die Kabelgesellschaften oder alternative Anschlussnetzbetreiber würden von der Regelung erfasst. Da die EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, Viviane Reding, die geplante Umsetzung der EU-Richtlinie durch den Paragrafen 9a scharf kritisiert hat, äußerten sich die Sachverständigen vor allem zur Auslegung des EU-Rechts und zur Vereinbarkeit der Regelung im Telekommunikationsgesetz mit diesen Vorgaben.
Professor Christian Kirchner von der Berliner Humboldt-Universität schlug eine Änderung der strittigen Regelung in dem Sinne vor, zwischen "neuen Märkten" und "sich entwickelnden Märkten" zu unterscheiden. Damit könne die Umsetzung EU-konform gemacht werden, weil die Richtlinie nur von "emerging markets" spreche. Kirchner schlug vor, beide Begriffe im Gesetz zu definieren. Unternehmen, die in die erforderlichen Netze investieren, um Innovationen auf Dienstleistungsmärkten herbeizuführen, sollte ein Antragsrecht auf eine zeitlich befristete Freistellung von der Regulierung eingeräumt werden.
Entscheidungen der Bundesnetzagentur über solche Anträge sollten erst nach einer bestimmten Frist für eine Überprüfung offen sein, so Kirchner. Ziel müsse es sein, den betreffenden Unternehmen die Anreize für die Infrastrukturinvestitionen nicht dadurch zu nehmen, dass die Zugangsregulierung dann zugreift, wenn der neue Markt entsteht. "Ein Vorreiter inves-tiert nur, wenn er Vorreiter-Vorteile hat", so Professor Kirchner. Die EU-Richtlinie gebe dazu keine Regelung vor. Der nationale Gesetzgeber müsse Klarheit darüber schaffen, dass der Vorreiter-Investor diese Vorteile für einen gewissen Zeitraum nutzen kann.
Karl-Heinz Neumann vom Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste hielt den Wunsch, von Regulierungseingriffen befreit zu werden, bei bestimmten Breitbandangeboten für überzeugend, bei der Bereitstellung der VDSL-Anschlüsse allerdings für wenig begründet. Die Botschaft des Paragrafen 9a sei, dass eine Vorab-Regulierung neuer Märkte noch höheren Hürden unterliegen soll als eine Vorab-Regulierung generell. Gerade jene Länder hätten eine hohe Investitionsquote, die wettbewerbsfreundliche Regulierungsvorgaben getroffen haben.
Ähnlich argumentierte Professor Arnold Picot von der Ludwig-Maximilian-Universität München. Die Herausnahme neuer Märkte aus der Regulierung sei "kaum praktikabel" und "fachlich wenig überzeugend", so Picot. Peter Heinacher von der Deutschen Telekom AG verwies auf Untersuchungen aus den USA, wo investiert werde, weil der Breitbandmarkt nicht reguliert sei. Auf die Frage, ob ein Risikozuschlag als Investitionsanreiz geeignet wäre, sagte Heinacher, dies wäre eine unfaire Vorgehensweise, weil die Wettbewerber teilhaben könnten und der "Pioniervorteil" des Investors schwinde. Das Risiko eines Verlustes der Investitionen würde die Telekom dann allein tragen müssen.