Einkünfte aus Nebentätigkeiten werden veröffentlicht
Ein Rückblick auf das viel debattierte Abgeordnetengesetz
Im Oktober 2005 ist es bereits in Kraft getreten, das geänderte Abgeordnetengesetz über die Transparenz von Nebeneinkünften. Doch neun Abgeordnete klagten gegen die neuen Verhaltensregeln vor dem Bundesverfassungsgericht. Die erste Anhörung vor dem höchsten deutschen Gericht erfolgte im Herbst 2006. Am 4. Juli 2007 entschied es, die Klage abzuweisen. Damit können die neuen Regelungen umgesetzt werden. Darunter fällt auch die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte der Abgeordneten. Die veröffentlichungspflichtigen Angaben sind jeweils am Ende der Abgeordneten-Biografien verzeichnet.
Ausgangslage: Die Freiheit des Mandats
Das „freie Mandat“ der Bundestagsabgeordneten ist im Grundgesetz festgeschrieben. In Artikel 38 steht, dass sie Vertreter des ganzen Volkes sind, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind.
Weitere Rechte und Pflichten der Abgeordneten sind in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages aufgeführt, unter anderem die Ausübung des Mandats und die Anwesenheit. Dazu gehören auch die Verhaltensregeln für Abgeordnete. Sie enthalten genaue Anzeigepflichten und Verbotstatbestände, wie zum Beispiel die Unzulässigkeit bestimmter Spenden und Zuwendungen. Auch Verfahrensvorschriften gehören dazu, für den Fall, dass die darin festgelegten Regeln verletzt werden. Die Frage der Wahrnehmung des Mandats ist nach außen für die parlamentarische Arbeit und das Funktionieren einer Demokratie essenziell.
Schon in den 20er Jahren der Weimarer Republik diskutierte man über gesonderte Regeln für Abgeordnete. 1972 wurden die Verhaltensregeln erstmals beschlossen. Sie verpflichten die MdB, dem Bundestagspräsidium ihre Berufe, vergütete Neben- und Beratungstätigkeiten sowie Spenden anzuzeigen.
Der Auslöser: Interessentenzahlungen an
Landtagsabgeordnete
Zum Jahreswechsel 2004/2005 berichteten deutsche Medien über Landtagsabgeordnete, die während ihres Mandats weiter Bezüge, Zuwendungen und Abfindungen von ihren früheren Arbeitgebern erhalten hatten. Die Landtagsabgeordneten behaupteten, dass sie dafür zeitweilig auch Arbeitsleistungen erbracht hätten. Doch konnten sie das entweder nicht belegen oder die Leistungen standen in keinem Verhältnis zu den finanziellen Zuwendungen.
Laut der Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete hätte in diesen Fällen der Verdacht von „Interessentenzahlungen“ bestanden. Während die Annahme von Zuwendungen für MdB verboten ist, gelten in den Länderparlamenten zum Teil deutlich abweichende Regelungen.
Die rot-grüne Koalition im Bundestag beantragte mit ihrer Regierungsmehrheit eine Überprüfung und Änderung der Verhaltensregel. Sie wollten damit mehr Transparenz schaffen. Die Rechtsstellungskommission des Ältestenrates beriet über diese Forderungen, konnte sich aber wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht einigen.
Oktober 2005: Neue Bestimmungen treten in Kraft
Die damaligen Regierungsfraktionen aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachten einen eigenen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes ein. Außerdem stellten sie einen Antrag zur Änderung der Geschäftordnung. In der letzten Sitzung der 15. Wahlperiode stimmte die Mehrheit im Bundestag dem Änderungsantrag zu, gegen die Stimmen der CDU/CSU und FDP, die damals auf den Oppositionsbänken saßen.
Am 18. Oktober 2005, dem Tag der Konstituierung des 16. Deutschen Bundestages, traten die neuen Bestimmungen in Kraft. Nun war im Abgeordnetengesetz (AbgG) festgelegt, dass die Ausübung des Bundestagsmandats im Mittelpunkt der Arbeit eines Abgeordneten steht (§ 44a Abs. 1 AbgG). Unzulässige Interessentenzahlungen wurden ausführlich beschrieben. Die Annahme von finanziellen Zuwendungen wurde verboten, wenn diese Gelder „ohne angemessene Gegenleistung“ gezahlt würden.
Vor allem aber mussten die MdB die beruflichen Tätigkeiten vor und alle Tätigkeiten während der Ausübung ihres Mandats anzeigen. Dies haben die Abgeordneten gegenüber dem Präsidenten in der 16. Wahlperiode getan. Die Anzeigepflicht beginnt bei 1.000 € monatlich bzw. 10.000 € im Jahr.
Alle Einkünfte werden entsprechend der in Kraft getretenen Neuregelung von der Verwaltung des Deutschen Bundestages im Internet veröffentlicht. In § 3 der Verhaltensregeln ist festgelegt, dass "bezogen auf jeden einzelnen veröffentlichten Sachverhalt jeweils eine von drei Einkommensstufen ausgewiesen wird." Die Stufen bemessen sich wie folgt: Die Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte einer Größenordnung von 1.000 bis 3.500 €, die Stufe 2 Einkünfte bis 7.000 € und Stufe 3 Einkünfte über 7.000 €.
Verstöße sollen durch ein Ordnungsgeld sanktioniert werden, dies kann bei Verschulden bis zu 42.000 € betragen.
Die Klage: Mandantenschutz und Wettbewerb
Die MdB hatten drei Monate Zeit, um ihre Einkünfte gegenüber dem Präsidenten offen zu legen, was sie auch taten. Innerhalb dieser Frist erhoben Abgeordnete Klage beim Bundesverfassungsgericht. Viele der Kläger aus unterschiedlichen Fraktionen sind Freiberufler und sie argumentieren mit dem Datenschutzgesetz und dem sich daraus ableitenden Vertrauens- und Mandantenschutz. Würden sie die Höhe ihrer Einnahmen veröffentlichen, gefährde dies Dritte, nämlich ihre Mandanten, die Vertrauensschutz genießen.
Auch sehen die Kläger durch die Offenlegung Wettbewerbsnachteile für sich und ihre Tätigkeit. Konkurrenten erhielten Einblick beispielsweise in die unternehmerische Tätigkeit des Abgeordneten. Für Abgeordnete ist es aber wichtig, während ihres Mandats einen Beruf ausüben zu können. Der Anteil der Abgeordneten mit Kurzkarrieren ist hoch. Die durchschnittliche Verweildauer von Abgeordneten des Deutschen Bundestages beträgt etwas mehr als neun Jahre.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Im März 2006 entschied Bundestagspräsident Lammert, die Veröffentlichung der Nebentätigkeiten auszusetzen, da er eine „zügige Entscheidung“ des Gerichts erwartet hatte. Der Ältestenrat bestätigte die Entscheidung des Präsidenten. Festzuhalten ist nochmals, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Angaben von den Abgeordneten angezeigt waren und der Präsident in Erwartung einer baldigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Veröffentlichung der vorliegenden Daten ausgesetzt hat.
Anders als erwartet, fand die mündliche Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht erst nach der Sommerpause, im September 2006, statt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts soll jetzt am 4. Juli 2007 verkündet werden.
Weitere Informationen
- Plenarprotokoll der 184. Sitzung, Seite 17397, (Tagesordnungspunkt 6 "Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes"
- Abgeordnetengesetz
- Anlage 1 der Geschäftsordnung (Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages
- Ausführungsbestimmungen
- Pressemitteilung vom 14.12.2005 - Verhaltensrichtlinien für Abgeordnete des Deutschen Bundestages gelten unverändert
- Pressemitteilung vom 28.02.2006 - Betreff: Klage gegen Verhaltensregeln
- Pressemitteilung vom 10.03.2006 - Nach Klagen in Karlsruhe: Veröffentlichung zu MdB-Einkünften soll ausgesetzt werden
- Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2007