> Dossier > Sonderthema Sitzungswoche
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Die Zeiten sind lange vorbei, als ein Abgeordneter am Montagmorgen in den Zug steigen konnte, unterwegs die Zeitungen und Briefe aus dem Wahlkreis durcharbeitete und am Nachmittag in Bonn die Sitzungswoche mehr oder weniger gemächlich einläutete. Viele verabschieden sich heute bereits sonntags nach dem Kaffeetrinken von ihrer Familie und setzen sich in den Flieger. Und nicht wenige gehen am Abend noch einmal in ihr Büro, besonders wenn Termine schon am frühen Montagmorgen warten und noch ein wenig vorzubereiten sind.
Vieles lässt sich dabei inzwischen auch per Laptop von unterwegs oder von der Wohnung aus erledigen: Online hat jeder Abgeordnete Zugriff auf sämtliche Unterlagen, Tagesordnungen, Sitzungsprotokolle, die elektronisch in seinem Büro abgelegt sind. Und da auch alle Kollegen auf diesem Weg erreichbar sind, arbeitet das Netzwerk Bundestag inzwischen rund um die Uhr. Auch am Wochenende hält man sich per Telefon und E-Mail gegenseitig auf dem Laufenden.
Die Terminkalender der Abgeordneten sind derart aus den Nähten geplatzt, dass immer mehr Sitzungen von ihren „klassischen“ Tageszuteilungen auf den Montag gelegt werden. Das betrifft vor allem Anhörungen durch Enquetekommissionen und Fachausschüsse. Dabei geht es darum, externes Fachwissen in die parlamentarische Debatte zu integrieren. Jede Fraktion benennt eine Anzahl von externen Fachleuten, also Wissenschaftler oder Verbandsvertreter, die dann zumeist bei einer öffentlichen Anhörung (auch Hearing genannt) zu den Sachverhalten Stellung nehmen und im Wechsel von den einzelnen Fraktionen befragt werden.
Zu den festen Montagsterminen gehören die Sitzungen der Fraktionsvorstände. Sie bereiten die Abläufe der Woche vor, besprechen also beispielsweise die Punkte, die noch von den eigenen Fachleuten der Fraktion eingehender behandelt werden müssen. Auch strategische Angelegenheiten werden hier erörtert: Welches Thema kann im Laufe der Woche wichtig werden? Wie sollte es im Bundestag am besten aufgegriffen werden? Ist das ein Feld, auf dem man die Regierung oder die Opposition öffentlich „stellen“ könnte? Und vor allem: Wo lauern in der schon besprochenen Themenabfolge in Ausschüssen und Plenum Fallstricke? Wo kann die eigene Fraktion besonders wirkungsvoll punkten?
Die Fraktionen sind auch operative Teile der Parteien im Parlament. Deshalb stehen die Fraktionsvorstandssitzungen am Montagnachmittag immer wieder auch unter dem Eindruck der Präsidiums- und Vorstandssitzungen der Bundesparteien, die zuvor am Montagmorgen in Berlin getagt haben. Mitunter gehören Mitglieder des Fraktionsvorstandes auch den Spitzengremien der Partei an, so dass der Informationsfluss schon auf diese Weise optimiert ist. In der Regel stehen aber die Arbeitsabläufe im Parlament im Vordergrund. Denn da sind Dutzende von Themen zu koordinieren.
Das machen derweil auch die Experten der Fraktionen für die einzelnen Themenbereiche. Zahlreiche Arbeitskreise, Arbeitsgruppen und Arbeitsgemeinschaften tagen schon am Montag, um die laufenden Gesetzesberatungen, den Stand von Initiativen und Antragsvorhaben durchzusprechen – und zwar jeweils fraktionsintern. So bilden sich Meinungen über das beste weitere Vorgehen heraus.
An anderer Stelle treffen sich auch montags bereits so genannte Berichterstatter aus den verschiedenen Fraktionen zum gemeinsamen Ausloten, wie die Einigungschancen bei einem Gesetzesvorhaben sind. Also etwa bei einer ersten Vorauswertung dessen, was die aktuellen Anhörungen ergeben haben.
Auf den verschiedensten Ebenen geht es also um das detaillierte Durchplanen der Woche. Und das gilt natürlich auch für die Mitarbeiter in den einzelnen Stäben: Ob das nun Fraktionsgremien, Fachausschüsse oder jedes einzelne Abgeordnetenbüro betrifft: Wie wird die Woche? Was ist für uns zu tun? Wer macht was? Und wann muss was fertig sein? Auch die Landesgruppen untersuchen, wie die von ihnen vertretenen Regionen von den Themen der Woche betroffen sind. Bei den großen Fraktionen gibt es für jedes Bundesland eine. In kleineren Fraktionen sind auch schon einmal benachbarte Bundesländer in gemeinsamen Landesgruppen zusammengefasst.
Der Montag dient jedoch nicht nur dem internen In-Schwung-Bringen der Parlamentsabläufe. Er ist auch geschätzt als Möglichkeit, Parlament und Öffentlichkeit zu verknüpfen, ohne dass sich hinziehende Sitzungen alle Planungen über den Haufen werfen. Es geht vor allem um den Kontakt zwischen Fachpolitik und Fachöffentlichkeit. Viele Verbände wollen den Gesetzgeber nicht nur mit Schreiben und bei Expertenanhörungen auf dem Laufenden halten. Sie suchen auch die direkte Begegnung mit Abgeordneten und Journalisten. Das geschieht etwa bei so genannten Parlamentarischen Abenden, bei denen in ungezwungenem Rahmen bei einem Abendessen oder einem Drink Kontakte geknüpft und Bekanntschaften gepflegt werden.
Meistens bedarf es aber auch dieser formellen Einladungen nicht. Die Berliner Gastronomie ist längst Teil des politischen Geschäfts geworden. Da treffen sich Politiker mit Journalisten, um in Hintergrundrunden Zusammenhänge zu klären, die allerdings nicht gleich in den Zeitungen stehen müssen. Und da treffen Abgeordnete mit Lobbyisten zusammen, um sich Klarheit über die Auswirkungen der Gesetzgebung zu verschaffen. Und vor allem treffen Abgeordnete andere Abgeordnete. Denn nur das Gespräch bringt Projekte voran. Nur das Sammeln von Unterstützung macht aus Ideen praktische Politik.
Text: Gregor Mayntz
Fotos: Phalanx Fotoagentur
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Enquetekommissionen: Sie ist eine herausragende Form der Politikberatung. Der Name stammt vom Lateinischen „inquirere“ und steht für nachforschen, untersuchen. Die aus Abgeordneten und Wissenschaftlern bestehenden Enquetekommissionen werden gebildet, um Handlungsmöglichkeiten für Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe gewinnen zu können. Jede Enquete fertigt für den Bundestag einen detaillierten Bericht an. In der 15. Wahlperiode gibt es zwei Enquetekommissionen, siehe www.bundestag.de (Parlament).
Fraktion: Das ist der Zusammenschluss von Abgeordneten, die der gleichen Partei angehören – oder, wie CDU und CSU, zwei Schwesterparteien, die in keinem Bundesland miteinander konkurrieren. Der Name ähnelt der „Fraktur“, also Bruchteil, und will ausdrücken, dass die Fraktion Teil sowohl einer Partei als auch des Parlaments ist. Zur Bildung sind mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages nötig. Die Fraktionsvorstände führen die Geschäfte der Fraktion, planen ihre Arbeit und bereiten die Fraktionssitzung vor.
Landesgruppen: Ein typisches Beispiel für Gremien, die es weder in der Verfassung noch in der Geschäftsordnung gibt, die aber einen großen Einfluss haben. In ihnen spiegelt sich die Bedeutung der Landesverbände in den Parteien und der Länder im Bund wieder.