Wolfgang Mattheuer im Reichstagsgebäude
Öl auf Leinwand: 'Das grüne Vogtlandbild'
© DBT/
Alles überstrahlende Himmelsfläche
Neben den gesellschaftskritischen Bildern nehmen seine
Landschaftsbilder einen eigenwertigen Rang ein. Motivisch
bestimmend sind Bilder seiner vogtländischen Heimat und des
Leipziger Umlandes. Ihr weiter Horizont und eine alles
überstrahlende Himmelsfläche lassen die Erinnerung an
Caspar David Friedrich lebendig werden und weiten die heimatliche
Landschaft zur "Weltlandschaft".
Mattheuer hat an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig eine Ausbildung als Grafiker erhalten und neben dem malerischen ein eigenständiges grafisches Werk entwickelt. Sowohl seine grafischen als auch seine malerischen Werke sind oft durch eine Doppelbödigkeit gekennzeichnet, die sich erst auf den zweiten Blick entschlüsselt. So wird die Landschaft bei Mattheuer zur Bühne verrätselter Allegorien und Gleichnisse auf die existentielle Geworfenheit des Menschen, seine Einsamkeit und seine Konflikte in der Gesellschaft: Der Maler inszeniert in Szenen, die oft in ein beunruhigend flackerndes Licht getaucht sind, das Drama des aus seinen Flugträumen gerissenen Ikarus, die Verzweiflung des Sisyphos, die Tragik des Brudermordes von Kain an Abel oder die Verlorenheit des Menschen hinter einer verbergenden Schafsmaske. Es sind Szenen, die trotz der allgemeinen Fragestellungen zur Conditio humana doch in besonderer Weise die Situation in der DDR thematisieren und daher in der DDR oft zu lebhaften Auseinandersetzungen führten.
Linolschnitt:'Erschrecken'
© DBT
Lebensgefühl der Bürger um 1989
In diesem Sinne einer verschlüsselten Kritik greifen die für das Reichstagsgebäude angekauften Gemälde zwei Motive auf, die für das Lebensgefühl der Bürger um 1989 in der DDR bedeutsam waren: "Der Eine und die Anderen" thematisiert die Isolation des Individuums, das mit seinem Willen zur freien Selbstbestimmung in Konflikt mit den Ansprüchen der Gemeinschaft gerät - charakteristischerweise trägt ein weiteres Gemälde aus diesem Zyklus den Titel "Verlorener Sohn". In vergleichbarer Problemstellung greift "Panik" diese Frage nach dem angemessenen Verhalten gegenüber der Gemeinschaft auf. Wenngleich diese Motive unmittelbar auf die zeitgebundene Situation in der DDR um 1989 anspielen, so ist die Problematisierung des Ausgleichs der Ansprüche von Individuum einerseits und Gesellschaft andrerseits doch von überzeitlicher Aktualität.
Wolfgang Mattheuer
geboren am 7. April 1927 in Reichenbach/Vogtland, verstorben am 7.
April 2004 in Leipzig
Text: Andreas Kaernbach,
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages