Der emeritierte Münchner Historiker Eberhard Weis hatte schon 1971 den ersten Band einer großen wissenschaftlichen Montgelas-Biografie vorgelegt. Nun endlich hat er den zweiten Band vollendet, der die 18-jährige Amtszeit des bayerischen Ministers und Staatsmannes Montgelas (1799-1817) sowie dessen restlichen Lebensjahre (1817-1838) ausgiebig behandelt.
Der erste Band zeichnet stärker das Umfeld am Ende des Ancien régime, während sich der jetzt erschienene Band eng um Person und Funktion des Amtsinhabers legt. Er ist sehr quellennah, mit vielen Zitaten aus persönlichen Unterlagen; alles wird sorgfältig belegt. Weis hat erstmals den gesamten privaten Nachlass dieses bayerischen Staatsmannes ausgewertet, etliche neue Quellen gesichtet und auch die schwer lesbaren handschriftlichen Aufzeichnungen von Bayerns erstem Minister ausgewertet.
Maximilian Graf Montgelas, der Architekt des modernen bayerischen Staates, entstammte einem savoyardischen Adelsgeschlecht und bekleidete in München eine Zeit lang zugleich das Außenministerium und die Ministerien für Inneres und Finanzen. Montgelas regierte in schwieriger Zeit - am Beginn des 19. Jahrhunderts, als Napoleon ganz Deutschland bedrohte. Montgelas gab Bayern die Verfassung eines modern organisierten Verwaltungs- und Rechtsstaates, er verankerte die bürgerlichen Freiheiten wie die Grundsätze der Gleichheit vor dem Gesetz und gegenüber dem Fiskus.
Montgelas gab Bayern darüber hinaus eine leistungsfähige Verwaltung und eine unabhängige Justiz; er verfügte die Abschaffung der letzten Reste von Leibeigenschaft, die Sicherung der Toleranz und der konfessionellen Parität, die Einführung der allgemeinen Schulpflicht (1802). Selbst die äußere Gestalt Bayerns ist ihm zu verdanken; während seiner Herrschaft integrierte Alt-Bayern die neuen Territorien Frankens und Schwabens.
Als Staatsmann war Montgelas nicht weniger bedeutend als die preußischen Staatskanzler Karl vom Stein oder Minister Hardenberg. Schon in seinem frühen politischen Programm, seiner "Ansbacher Denkschrift" von 1796, hat er "ein erstaunlich umfassendes, kühn durchdachtes Reformprogramm entworfen" (Hans-Ulrich Wehler). Man darf nicht verkennen: Modernisierungen, wahrhafte Reformen, die diesen Namen verdienen, waren damals unabdingbar. In Bayern war es Montgelas, der diese Reformen in einer "Revolution von oben" anstieß und zu Ende führte.
Weis behandelt vorrangig die staatsmännischen Taten dieses allmächtigen Ministers, aber auch das Privatleben kommt nicht zu kurz. Als Aufklärer predigte Montgelas Toleranz, und die pflegte er auch in seiner Familie: Über die vielen Amouren seiner Frau sah er großzügig hinweg, ja er nahm sogar ihre Liebhaber in seinem Haus auf.
Montgelas war ein hochgebildeter Mann, auch seine Bibliothek wird dem Leser vorgestellt. "Der Graf Montgelas ist einer der glücklichst organisierten Köpfe, von vorzüglichem Scharfsinn, großer Besonnenheit und Ideenklarheit oder wenigstens von philosophischem Talent", schrieb ein Zeitgenosse. Er fand selbst als erster Minister noch die Zeit, wichtige naturwissenschaftliche Bücher zu studieren. Im Jahre1817 fiel er in Ungnade, als - infolge eines gewaltigen Vulkanausbruchs in Indonesien (1815) - Europa von einer schrecklichen Missernte heimgesucht wurde und sich nach einem "Jahr ohne Sommer" (1816) in Süddeutschland die Getreidepreise verdreifachten.
Wer sich für die Entstehung des modernen Bayern interessiert, dem kann man diese große Biografie wärmstens empfehlen.
Eberhard Weis: Montgelas. Verlag C.H.Beck, München. Erster Band: Zwischen Revolution und Reform 1759 -1799. 490 S., 1971 und 1988; 49,90 Euro Zweiter Band: Der Architekt des modernen Bayerischen Staates 1799 -1838. 872 S., 2005; 68,- Euro