Eine zentrale Rolle spielten dabei die langfristigen Verträge über die Gasbelieferung von Stadtwerken und Regionalversorgern mit den Ferngasunternehmen, die Laufzeiten von 20 bis 25 Jahre hätten, sagte Böge. Hinzu komme, dass die Stadtwerke eine hundertprozentige Bezugsverpflichtung eingehen müssten. Dies habe den Wettbewerb auf dem Gassektor erheblich beeinträchtigt. Für das Kartellamt gehe es darum, diese langfristigen Bindungen aufzubrechen. Die Verhandlungen mit der Gaswirtschaft seien derzeit im Gange, doch beurteilte Böge die Kooperation der Unternehmen skeptisch. Diese spielten auf Zeit, um die eigenen Gewinne so lange wie möglich hoch zu halten.
Eon Ruhrgas hat nach den Worten des Behördenchefs allein im Eilverfahren keine Kosten für Anwälte und Gutachter gescheut. Das Kartellamt habe dies dagegen mit nur sieben Mitarbeitern im höheren Dienst bewältigen müssen. Wie Böge weiter mitteilte, gibt es einen Anfangsverdacht auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Hinblick darauf, dass die Kosten für die Emissionszertifikate von den Stromanbietern in die Strompreise einkalkuliert würden. Böge sagte, er wäre froh, wenn er der "Phalanx der Energiewirtschaft und ihrer Wissenschaftler" mehr Personal gegenüberstellen könnte. Bei diesen Verfahren gehe es um gewaltige Summen, jährlich gebe es im Strom- und Gassektor neue Rekordgewinne und gleichzeitig Rekordpreise für Unternehmen und Verbraucher. Laut Böge findet hier eine "gewaltige Umverteilung" statt.
Unzufrieden zeigte er sich mit der Liberalisierung der Energiemärkte, die schon acht Jahre andauere. Die Politik müsse hier umsteuern, nachdem es in der Frage des diskriminierungsfreien Netzzugangs für alle Anbieter nicht zu einer Einigung unter den Beteiligten gekommen sei. Die Durchleitungsgebühren für die Monopolnetze seien zu hoch. Die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis nannte Böge volkswirtschaftlich und umweltpolitisch schädlich, allerdings sei dort mit Mitteln des Kartellrechts nichts zu machen. Ein Engagement des russischen Energielieferanten Gasprom auf dem deutschen Markt würde er nach eigener Aussage nicht für schädlich halten, weil die Versorgungssituation dadurch nicht gefährdet würde.
Böge sprach sich im Übrigen dafür aus, bei der Fusionskontrolle nicht auf Verhaltensauflagen zu setzen, sondern strukturelle Auflagen zu bevorzugen. Verhaltensauflagen seien mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden, weil sie ständig kontrolliert werden müssten. Die europäische Fusionskontrolle trage die Handschrift des deutschen Kartellgesetzes. Bedarf zur Änderung dieses Gesetzes sieht Böge nach eigenen Angaben zurzeit nicht.
Die Ministererlaubnis, also die Möglichkeit des Bundeswirtschaftsministers, sich aus übergeordneten Gesichtspunkten über eine Entscheidung des Bundeskartellamts hinwegzusetzen, befürwortete er ausdrücklich. In den letzten 33 Jahren habe es 19 Anträge auf Ministererlaubnis gegeben, von denen sieben positiv beschieden worden seien, davon fünf mit Auflagen. Ein Verfahren sei noch anhängig. Die Minister-erlaubnis sei somit eine Ausnahme geblieben. Böge selbst sieht in diesem Instrument einen Garanten für die Unabhängigkeit seiner Behörde. Das Kartellamt könne nur eine kartellrechtliche Bewertung vornehmen. Es könne aber, etwa auf dem Gebiet der äußeren Sicherheit, Gründe geben, sich über diese Bewertung hinwegzusetzen.
Den Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit in den Jahren 2003/2004 und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu ( 15/5790) nahm der Ausschuss zur Kenntnis. Jeweils abgelehnt wurden Gesetzentwürfe der Fraktion Die Linke ( 16/236) sowie von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/365), das Kartellgesetz zu ändern. Die Linke wollte dem Wirtschaftsminister die Befugnis geben, vom Kartellamt genehmigte Zusammenschlüsse zu verbieten, während die Grünen die Ministererlaubnis komplett streichen wollten.