Akribisch hat Elena Naß Interviews geführt und Zahlen gesammelt, Statistiken interpretiert und Fachliteratur gewälzt. "Nach einer gut ein Jahr alten Umfrage des Zentrums für Evaluation und Methoden an der Universität Bonn planten 15 Prozent der deutschen Haushalte den Kauf eines DAB-Empfängers. Für 2005 wurde ein Absatz zwischen 117.000 und 351.000 Geräten prognostiziert."
Die Autorin dieser Zeilen ist Schülerin und gerade für ihren Wirtschaftsartikel "Auch der Hörfunk hat Visionen" ausgezeichnet worden. Im Rahmen des Projekts "Jugend und Wirtschaft" hat die 18-Jährige zusammen mit ihrer Klasse am Gießener Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums ein Jahr lang im Unterricht mit dem Wirtschaftsteil der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) gearbeitet, Artikel recherchiert und geschrieben. Zwei von Elenas Texten wurden sogar in der FAZ veröffentlicht. Eine echte Leistung, denn das schaffen bei weitem nicht alle Teilnehmer des Projekts, das die FAZ gemeinsam mit dem Bankenverband vor sechs Jahren initiiert hat, um der ökonomischen Bildung junger Menschen auf die Sprünge zu helfen.
In Elenas Fall mit nachhaltigem Erfolg: Mit großer Neugier hat sich die Schülerin selbst in wirtschaftliche Nischenthemen wie die Probleme bei Einführung der digitalen Hörfunktechnik eingearbeitet. Für viele Jugendliche ein Horror, doch Elena hatte plötzlich Feuer gefangen: "Ich hätte nicht gedacht, dass Wirtschaft so spannend sein kann", sagt die Schülerin. Vor Beginn des FAZ-Projekts hatte sie mit Wirtschaft wenig am Hut gehabt. "Nicht, dass ich nicht ein Grundinteresse gehabt hätte", erinnert sie sich, "aber in der Zeitung habe ich schon wesentlich lieber den Sportteil gelesen". Der Wirtschaftsteil blieb oft unbeachtet liegen.
So wie Elena geht es vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Wirtschaft erscheint den meisten als komplex, kompliziert und anstrengend. Der Wirtschaftsteil der Zeitung "erschlägt" sie mit seinen Zahlenkolonnen und sperrigen Begriffen. Viele Jugendliche scheinen nur zu einer Einsicht zu kommen: Wirtschaft zu verstehen ist mühsam - lassen wir es besser.
Die Folge: Ein großer Teil der 14- bis 24-Jährigen hat von den grundlegenden ökonomischen Zusammenhängen keine Ahnung, viele können selbst einfachste Begriffe nicht erklären. Das belegt eine im Mai erstellte Studie des Bankenverbands. Fast die Hälfte der befragten Jugendlichen verband beispielsweise "nichts Bestimmtes" mit dem Begriff "Soziale Marktwirtschaft", 38 Prozent konnten kaum etwas mit "Globalisierung" anfangen und nur 28 Prozent waren in der Lage, selbst das ökonomische Grundprinzip von "Angebot und Nachfrage" annähernd richtig zu erklären. Ein bedenkliches Resultat. Auch in Elenas Klasse hatten viele Schüler Hemmungen, sich mit wirtschaftlichen Themen zu befassen. Aber das Projekt "Jugend und Wirtschaft" habe das verändert, erzählt Elena: "Wir waren richtig erstaunt, wie vielfältig ökonomische Themen sein können." Der Wirtschaftsteil der Zeitung habe weit mehr zu bieten als nur Börseninformationen, findet sie.
Diese Erfahrung hat auch Andreas Döring gemacht, Politik- und Sozialwissenschaftslehrer am Bonner Tannenbusch-Gymnasium. Bereits zum dritten Mal betreut er eine Klasse während des "Jugend und Schule"-Projekts. Wieder und wieder hat er bemerkt, wie wichtig es ist, die Schüler zu motivieren, so dass sie die Berührungsängste mit dem Thema Wirtschaft verlieren. Das Projekt "Jugend und Schule" ist für ihn ein erfolgreicher Weg. "Viele meiner Schüler fanden es sehr interessant zu erfahren, welche Marken zu einem Konzern gehören", erzählt Döring. Die Benachteiligung von Entwicklungsländern auf dem Weltmarkt oder die riesigen Umsätze von Kosmetikfirmen hätten besonders auch die Mädchen in seinem Kurs aufhorchen lassen.
Die Vermittlung von ökonomischen Kenntnissen über praxisnahe Arbeit scheint ein Schlüssel zu sein, mit dem sich Jugendliche selbst für ein theoretisch und schwierig anmutendes Thema wie Wirtschaft begeistern lassen. Dementsprechend gibt es mittlerweile viele Wirtschaftsprojekte, die sich an Schüler richten. Beim Projekt "Junior" gründen Jugendliche zum Beispiel eine eigene Firma, bei "Schüler im Chefsessel" können sie den Alltag eines Unternehmers kennen lernen. Bei "Go! to school" fährt ein Wirtschaft-Infotruck" direkt an den Schulen vor. Ein großer Aufwand, der aber notwendig ist. Verständnis für ökonomische Zusammenhänge ist wichtig, darin sind sich nahezu alle einig: Politiker, Lehrer, Wissenschaftler, Unternehmer - und selbst Schüler. 62 Prozent der in der Bankenstudie befragten 14- bis 24-Jähringen fanden etwa, dass Wirtschaftsinformationen wichtig sind. Und dennoch sind ihre Lücken in der ökonomischen Bildung groß.
Warum? "Vielen Jugendlichen fehlt das Bewusstsein dafür, dass auch sie ein Teil des wirtschaftlichen Sys-tems sind", meint Marion Hüchtermann, Projektleiterin beim Institut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW). Seit Jahren betreut sie Jugendprojekte und hat erlebt, dass viele Teenager kaum mit ihrem Taschengeld umgehen, geschweige denn sich den Alltag in einem Unternehmen vorstellen können.
Ein Problem, das bleibt: Auch vielen jungen Exis-tenzgründern fehlen selbst die grundlegendsten ökonomischen Kenntnisse, um sich erfolgreich selbständig machen zu können, wie Kurt Ludwig festgestellt hat. Der frühere Unternehmer arbeitet im Münchner Büro des bundesweiten Netzwerks "Alt hilft Jung" als Berater. Seiner Erfahrung nach mangelt es vielen jungen Existenzgründern vor allem an einem: "Sie haben kaum finanzielle und kaufmännische Kenntnisse."
Für Marion Hüchtermann vom IW ist das kein Wunder: "Wer nicht frühzeitig gelernt hat wirtschaftlich zu denken, etwa mit einem Budget auszukommen, der hat es als Existenzgründer schwer." Ihrer Meinung nach gehört deshalb Wirtschaft als Fach in die Schule. Die bisherige Vermittlung sei nicht ausreichend, findet die Referentin.
Eine Forderung, die auch Andreas Döring unterstützen würde: "Es kann noch viel mehr getan werden, als dies heute der Fall ist." Doch für ein reines Schulfach "Wirtschaft" ist der Bonner Lehrer dennoch nicht: "Das Fach Sozialwissenschaft, in dem neben Wirtschaft auch Politik, Soziologie und Psychologie einfließen, ist für mich eine gute Kombination. Viele gesellschaftliche Fragen kann man eben nicht nur isoliert aus ökonomischer Perspektive betrachten", sagt Döring. Die Senkung der Lohnnebenkosten sei aus wirtschaftlicher Sicht positiv, habe aber soziale Folgen. Beides getrennt zu betrachten, hält Döring daher für ebenso wenig sinnvoll, wie die Einführung des Fachs "Wirtschaft".