Stühle rücken, Gläser klingen. Im Restaurant der Potsdamer Staatskanzlei schenken elegante Kellner mit bodenlangen Schürzen edlen Wein in die bereit gestellten Gläser. Die Tische sind korrekt gedeckt, die Blumen passen zur Jahreszeit - wenn sich französische Parlamentarier mit ihren deutschen Kollegen treffen, muß das Ambiente stimmen.
Knapp 50 Abgeordnete, Wissenschaftler und Fachleute zu den Themengebieten "Zuwanderung und Integration" fanden sich am 6. Oktober beim 5. Kolloquium Paris-Berlin ein, dem jährlichen Treffen der Deutsch-Französischen Freundschaftsgruppen beider Parlamente. Die Zahl der Teilnehmer sei eigentlich jedes Jahr gestiegen, so Koordinatorin Christine Schmatloch, die von Anfang an bei den Kolloquien mitgewirkt hat. In diesem Jahr sei das Interesse jedoch besonders groß. Das liege sicher am brisanten Thema.
Entsprechend leidenschaftlich waren die Diskussionen im Anschluss an die Impulsreferate. Immer wieder musste Yves Bur, Vorsitzender der Französisch-Deutschen Parlamentariergruppe in der Assemblée nationale und Leiter der Diskussion, die Anwesenden bremsen: "Wir wollen hier keine nationale Debatte führen." Zweck der Veranstaltung sei schließlich, die französische Problematik mit der deutschen zu vergleichen, nicht, die Integrationspolitik nur einer der beiden Länder zu diskutieren.
Anschaulich berichtete Jean-Claude Barrois von der Initiative "Réussir aujourd'hui" ("Heute erfolgreich sein"), wie er mit seinen ehrenamtlichen Mitstreitern gezielt Migrantenkinder in Pariser Randgebieten anspricht, die in der Schule durch gute Leistungen aufgefallen sind. Jedem dieser Kinder wird ein Pate und Ansprechpartner zur Seite gestellt, der ihm zeigt und erklärt, wie die französische Gesellschaft funktioniert. So lernen sie Struktur und Gesetze ihres neuen Heimatlandes kennen und erfahren etwas über Demokratie und Pressefreiheit. Ziel sei es, die Kinder zu ermutigen, sich später an höheren Schulen zu bewerben und sich trotz oder gerade wegen ihrer sozialen Herkunft weiter zu qualifizieren.
Inci Dirim, Professorin am Institut für Erziehungswissenschaften Hannover, analysierte, wie hilfreich im einzelnen der Spracherwerb für die schulische Integration von Kindern aus Migrantenfamilien ist. Nicht nur die Zuwanderer, auch die Lehrer müssten besser auf ihre diesbezüglichen Aufgaben vorbereitet werden. Monika Griefahn von der SPD wollte es dabei nicht belassen: "Geht es nicht mit mehr Kultur?" Wer sich mit den Migranten über die Gepflogenheiten und Gesellschaftsformen austausche, die in ihren Herkunftsländern herrschen, könne die Zuwanderer wesentlich leichter aufnehmen und integrieren.
Die wesentliche Herausforderung des Kolloquiums ist es, aktuelle Themen aufzugreifen, die in beiden Ländern vergleichbare Diskurse aufweisen. Das sei nicht immer einfach, sagt Andreas Schockenhoff, der Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Er zeigte sich überrascht, dass die Franzosen inzwischen intensiv für das Lernen ihrer Landessprache plädieren. "Früher war das verstärkt ein deutsches Problem", sagte Schockenhoff. Mittlerweile hat auch Frankreich mit Migranten zu tun, die nicht nur aus Ländern mit stark französischer Prägung stammen, wo Französisch schon in der Schule gelehrt wird.
Auch dieses Ergebnis sei ein Zeichen der Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich - so lautete das Fazit des Vorsitzenden Andreas Schockenhoff: "Solange die deutsch-französischen Kolloquien so viel Zuspruch erfahren und zu derart überraschenden Ergebnissen führen, müssen und wollen wir sie unbedingt aufrechterhalten."