KRITIK AM STEUERREFORM-KONZEPT ÜBERWIEGT
Bonn: (hib) fi- Bei der Beurteilung des von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Entwurfs für ein Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ( 14/23) überwiegen die kritischen Stimmen. Diesen Eindruck vermittelte der erste Teil der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zu dem Gesetzesvorhaben, zu dem sich am Montag nachmittag Sachverständige geäußert haben. Ein wesentlicher Vorwurf, den vor allem Professor Wolfgang Schön äußerte, ging dahin, daß aus dem Entwurf eine Tendenz sichtbar werde, zwischen "guten" und "bösen", förderungswürdigen und nicht förderungswürdigen Einkunftsarten zu unterscheiden. Professor Dieter Pohmer aus Tübingen sprach von investitionsfeindlichen Regelungen und nannte dabei vor allem die geplante Abschaffung des Verlustrücktrags und den Abbau der Teilwertabschreibung. Adalbert Uelner vom Institut Finanzen und Steuern bemängelte, daß der Gesetzentwurf seine eigenen Ziele, Wachstum und Beschäftigung zu fördern, nicht erreichen werde. Statt der angekündigten Vereinfachungen führe das Reformvorhaben zu erheblichen Komplizierungen, etwa durch die Einführung einer Mindestbesteuerung. Das Konzept sei mittelstandsfeindlich und sollte noch einmal "in aller Ruhe überdacht werden". Wilhelm Haarmann vom Institut der Wirtschaftsprüfer bezeichnete den Entwurf als "Arbeitsplatzmaßnahme" für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Psychologisch sei er für die Wirtschaft eine Katastrophe. Die Rahmenbedingungen würden zum Nachteil verändert. Die Grenzsteuerstätze sollten nach Meinung Haarmanns nach unten korrigiert werden, weil sie für Investitionsentscheidungen von zentraler Bedeutung seien. Der Mittelstand werde seine Investitionen ins Ausland verlagern, prognostizierte der Sachverständige. Karl-Heinz Däke vom Bund der Steuerzahler sprach von schweren handwerklichen Mängeln und zum Teil verfassungsrechtlich bedenklichen Regelungen. Er empfahl, die Reform um ein Jahr zu verschieben.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung wies darauf hin, daß es auf die effektiven Steuersätze ankomme. Professor Rudolf Hickel aus Bremen trat dem Eindruck entgegen, Deutschland sei ein Hochsteuerland. Zwar sei es ein "Hochsteuersatzland", für eine Investition könne aber nicht allein der Grenzsteuersatz entscheidend sein. Hickel zeigte sich skeptisch, ob durch eine Steuerpolitik des Tarifsenkens bei gleichzeitiger Gegenfinanzierung durch eine breitere Bemessungsgrundlage das Tempo der Rationalisierung beeinflußt werden kann. Die Erhöhung des Kindergeldes begrüßte die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen. Sie trat auch dafür ein, mit der "verstaubten" Ehegattenbesteuerung Schluß zu machen und andere Entlastungsmöglichkeiten für Partnerschaften, aber auch für lebenslang behinderte Kinder und Pflegebedürftige zu finden.