Experten: Neuer Anti-Terrorismus-Paragraph im Strafgesetzbuch sinnvoll
Berlin: (hib/BOB) Die Absicht der Bundesregierung, auch die Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Ausland unter Strafe zu stellen, ist bei Rechtsexperten weitgehend auf Zustimmung gestoßen. Dies geht aus Stellungnahmen zu einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses hervor, die am Mittwochnachmittag begonnen hat. So erklärte Generalstaatsanwalt Norbert Weise (Koblenz), die Erweiterung des Strafgesetzbuches (StGB) um einen Paragraphen 129 b entspreche den Erfordernissen der Praxis. Der Sachverständige verweist auf Fälle, in denen kriminelles Geschehen aus dem Ausland gesteuert werde, trotz Beteiligung in Deutschland lebender Täter aber ein Tatort hier zu Lande nicht hinreichend sicher festzustellen sei. Auch nach Auffassung von Eckhart von Bubnoff (Nußloch) wird der vorgesehene Paragraph 129 b einen "beachtenswerten Beitrag" zu einer EU-weiten Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus darstellen. Der Gesetzgeber sollte aber zusätzlich erwägen, so von Bubnoff, die neue Strafvorschrift um einen zusätzlichen Passus zu ergänzen, in der ein eventueller Zugriff auf rechtswidrig erworbenes Vermögen geregelt wird. Ebenfalls für die neue Strafvorschrift plädiert der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, Ottmar Breidling. Sie sei schon im Hinblick auf die Rechtsentwicklung in der Europäischen Union "überfällig".
Den Stellungnahmen zu der Anhörung zufolge befürworten zahlreiche Experten zudem, eine Kronzeugenregelung wieder einzuführen. Diese sei, so Breidling, "unverzichtbar" zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere des Terrorismus. Wer derartige Straftaten wirksam verfolgen wolle, brauche die Kenntnis der Strukturen und Entscheidungsabläufe innerhalb solcher Gruppierungen. Nicht nur terroristische Vereinigungen bereits bekannten Zuschnitts, sondern auch religiös-fundamentalistische Gruppierungen schotteten sich nach außen ab. Professor Volker Krey von der Universität Trier erklärt ebenfalls, eine Wiedereinführung der Ende 1999 ausgelaufenen Kronzeugenregelung erscheine "unverzichtbar". Dem widerspricht Rechtsanwalt Rolf Gössner (Bremen) nachdrücklich: Es gebe "prinzipielle rechtliche und rechtspolitische Bedenken" gegen diese Art von Zeugen, die sich, "selbst tief in Schuld verstrickt", durch Verrat an ihren (ehemaligen) Mitstreitern vom Staat freikauften. Gewichtig seien zudem Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Kronzeugen, so Gössner.
Konkrete Vorschläge aus den Reihen der CDU/CSU und des Bundesrates, eine Art kleine Kronzeugenregelung für bestimmte Delikte zu schaffen, sehen die geladenen Sachverständigen überwiegend skeptisch. So äußert von Bubnoff, eine sach- und praxisgerechte Handhabung werde durch einen solchen Ansatz erschwert. Florian Jeßberger von der Humboldt-Universität zu Berlin hält bereichsspezifische Kronzeugenregelungen für "im Ansatz verfehlt" und zudem zum Teil mit verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Besser wäre eine allgemeine Kronzeugenregelung im allgemeinen Teil des StGB. Ähnlich argumentiert unter anderen auch der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld aus München.
Kritik aus Expertenkreisen gibt es an der fehlenden Möglichkeit für Strafverfolgungsbehörden, auch Telekommunikationsdaten, etwa von Handys, im so genannten "stand-by"-Betrieb anzufordern. Der Richter am Bundesgerichtshof Armin Nack äußert dazu, eine solche Vorschrift werde sich - zumindest in Einzelfällen - als wünschenswert erweisen. Schmidt-Sommerfeld erklärt dazu, ohne Not würden bisherige Ermittlungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Krey spricht von einem "massiven Rückschritt" gegenüber dem bisherigen Rechtszustand. Auch Weise ist der Auffassung, ein Bewegungsbild durch Speicherung von "stand-by"-Daten zu ermöglichen, sei im Interesse einer effektiven Strafverfolgung von großer Bedeutung.