Finanznot der Kommunen darf sich nicht auf Jugendhilfe auswirken
Berlin: (hib/KHB) Die Finanznot der Kommunen stand am Mittwochnachmittag im Mittelpunkt einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Gegenstand der Beratung waren ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Ausbau der Tagesbetreuung und zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe ( 15/3676, 15/3986, 15/4045) und ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Entlastung der Kommunen im sozialen Bereich ( 15/4532). Auch wenn niemand die finanziellen Engpässe in Städten und Gemeinden bestritt, plädierten die meisten Sachverständigen dafür, aus der Bahn geratenen oder behinderten Jugendlichen die Hilfen zukommen zu lassen, die für sie notwendig und erforderlich sind. Wenn das mit der Finanzkraft der Gemeinden nicht möglich sei, müsse notfalls der Bund einspringen, etwa über ein Bundesteilhabegeld oder vergleichbare Leistungen.
So warnten Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht und Beate Holstein von der Kreisverwaltung Offenbach nachdrücklich davor, Geld bei Jugendlichen, die als "leichtere Fälle" gelten, einsparen zu wollen. "Sie werden uns als Erwachsene wieder auf die Füße fallen, und dann wird es erheblich teurer", sagte Meysen. Holstein setzte sich dafür ein, die intensiv-pädagogische Betreuung im Ausland beizubehalten. Die Jugendämter gingen mit dieser Möglichkeit sehr sorgfältig und vorsichtig um. Sie nannte als Beispiel einen Zwölfjährigen aus Offenbach, bei dem alle Hilfen im Inland versagt hätten. Er sei schließlich in einer psychiatrischen Anstalt "gelandet" und habe dem Kreis hohe Kosten (301 Euro am Tag) verursacht. Inzwischen habe man ihn in Griechenland bei zwei Sozialpädagogen auf einem Reiterhof untergebracht, jetzt koste er nur noch gut die Hälfte am Tag und sei auf dem besten Weg, in das normale Leben zurückzufinden. Regine Offer vom Deutschen Städtetag merkte dazu an, es sei zu fragen, warum im Inland alle Hilfen versagt hätten und ob solche Auslandsaufenthalte in der Öffentlichkeit nicht als Belohnung für auffälliges Verhalten verstanden werden könnten. Zudem verlaufe nicht jeder Auslandsaufenthalt so positiv wie der Offenbacher Fall.
Auf harte Ablehnung bei den Verbänden stieß vor allem die Formulierung aus dem Gesetzentwurf des Bundesrats, Leistungen der Jugendhilfe an der Finanzkraft der Städte und Gemeinden auszurichten. Das werde die notwendige Versorgung davon abhängig machen, wo sie wohnten, sagte Klaus Lachwitz von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Ihm pflichteten die anderen Verbände im Grundsatz bei. Robert Sauter vom Bayrischen Landesjugendamt bedauerte die strikte Ablehnung: Jugendhilfe von der Finanzkraft der Kommunen abhängig zu machen, bedeute doch nicht, sie ganz aufzugeben. Die Jugendhilfe dürfe nicht zur Auffanggesellschaft werden. Am Gesetzentwurf der Bundesregierung bemängelte Ursula Friedrich vom Deutschen Landkreistag zu viel Bürokratie. Das vom Bund vorhergesagte Einsparungspotential stehe in den Sternen. Zudem seien einige Kosten gar nicht mitberechnet.