Auch Teile der Wirtschaft befürworten Mindestlöhne
Berlin: (hib/VOM) Neben den Gewerkschaften sprechen sich auch die Bauindustrie und das Gebäudehandwerk für die Festlegung bundesweit einheitlicher Mindestlöhne aus. Dies wurde am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit deutlich, der Sachverständige zu dem Entwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ( 15/5445) befragte. Die Fraktionen beabsichtigen, die Beschränkung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf den Bausektor und die Seeschifffahrtsassistenz aufzuheben. Damit soll für alle Branchen die Möglichkeit eröffnet werden, durch den Abschluss von Tarifverträgen das Gesetz auch für die eigene Branche nutzbar zu machen. Im Ausland ansässige Arbeitgeber sollen nur dann zur Einhaltung deutscher Tarifverträge verpflichtet werden, wenn auch jeder entsprechende inländische Arbeitgeber diese Tarife zwingend einhalten muss. Da die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags ebenso wie der alternativ mögliche Erlass einer Rechtsverordnung nur die im Tarifvertragsgebiet ansässigen Arbeitgeber rechtlich bindet, können diese Instrumente die inländischen Arbeitgeber nur dann lückenlos erfassen, wenn entweder das gesamte Bundesgebiet zum Tarifvertragsgebiet wird oder regionale Tarifverträge zu einheitlichen Bedingungen im gesamten Bundesgebiet führen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Ausweitung des Gesetzes "unerlässlich", um Lohn- und Sozialdumping vorzubeugen. Mindestlöhne und Mindestarbeitsbedingungen müssten festgelegt werden können. Eine Begrenzung des Gesetzes auf einzelne Branchen lehnte der DGB ab, weil dies nur die Bürokratie steigern würde. Hinzu komme, dass durch die Zunahme "grauer Arbeitsverhältnisse" den Sozialversicherungsträgern viele Milliarden an Beiträgen entgingen, was wiederum zu Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen führe. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sprach sich für Branchenlösungen anstatt eines gesetzlichen Mindestlohnes aus. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie beantwortete die Frage aus der CDU/CSU-Fraktion, ob bundeseinheitlich geltende Regelungen für erforderlich gehalten würden, mit "Ja". Diese müssten für alle Inländer gelten, weil ein EU-Ausländer sich auf das Diskriminierungsverbot berufen könnte, sobald es Inländer gibt, die den Regelungen nicht unterworfen sind. Der Münchner Rechtsprofessor Volker Rieble ergänzte dazu, um der Gefahr der Ausländerdiskriminierung vorzubeugen, seien keine bundesweiten Mindestentgelte erforderlich, sondern lediglich eine bundesweite Arbeitsort-Klausel. Auf Zustimmung traf der Entwurf auch beim Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks. Hier gebe es seit Jahrzehnten bundeseinheitliche Tarifverträge. Aus sozialpolitischen Gründen wäre nach Meinung des Verbandes ein gesetzlicher Mindestlohn der Ausweitung des Entsendegesetzes sogar noch vorzuziehen. Die in der Diskussion befindlichen "Kombilöhne" mit staatlichen Lohnzuschlägen bezeichnete er als "hoch gefährliche Subventionierung von Arbeit".
Gegen den Gesetzentwurf argumentierten unter anderem der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband und der Bundesverband Zeitarbeit/Personal-Dienstleistungen. Der Einzelhandelsverband äußerte die Befürchtung, dass Gesetz könnte den Wettbewerb einschränken. Da die Einzelhandelsbranche von der Entsende-Problematik nicht betroffen sei, gehe es wohl eher um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Ähnlich äußerte sich der Hotel- und Gaststättenverband, der wenig Verständnis für eine Diskussion um ein neues Gesetz zeigte, das nicht geeignet sei, die Beschäftigung zu fördern. Auch von Seiten der Zeitarbeitsbranche hieß es: "In unserer Branche braucht das Entsendegesetz niemand."