Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Für die Erinnerung blieb an diesem Tag nicht viel Zeit: Während der Bus auf seiner Route vom Bahnhof Zoologischer Garten in Richtung Alexanderplatz am Brandenburger Tor vorbeifuhr, suchten die Blicke des älteren Ehepaares, das aus London zu Besuch nach Berlin gekommen war, eine Spur der Grenzanlage, die mehr als 28 Jahre lang die Hauptstadt geteilt hatte. "Hier war vor zehn Jahren noch die Mauer", erklärte der Ehemann deren Verlauf mit einer Handbewegung. Schweigend sahen die beiden hinüber zum Reichstagsgebäude, in dem sich zur selben Zeit der Deutsche Bundestag zu einer Plenarsitzung versammelt hatte.
Die Begegnung der Gegenwart mit der Vergangenheit ist hier am Reichstagsgebäude, wo der Bundestag seit dem Ende der Sommerpause und dem Umzug aus Bonn arbeitet, in besonderer Weise spürbar. Das mag wohl auch einer der Gründe sein, warum viele Menschen den Weg hierher finden, um mitzuerleben, was an diesem historischen Ort geschieht.
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Die Vergangenheit gerät nicht in Vergessenheit. In dieser Ausgabe von Blickpunkt Bundestag wird mit zwei Beiträgen an den Herbst 1989 erinnert: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Stephan Hilsberg spannt einen Bogen zu den Initiativen verschiedener Oppositionsgruppen in der damaligen DDR, deren politische Forderungen vom Ruf nach Freiheit für die Menschen getragen waren. Ein weiterer Beitrag schildert, wie die Abgeordneten des Bundestages den Abend erlebten, als die Nachrichten vom Fall der Berliner Mauer in Bonn eintrafen. Das Ende der über 40 Jahre dauernden kommunistischen Herrschaft in einem Teil Deutschlands hatte begonnen.
Ein knappes Jahr danach war mit der Wahl eines gemeinsamen Parlaments die Vereinigung Deutschlands Realität geworden, auch wenn danach die vielen kleinen und oft mühsamen Schritte des Zusammenwachsens begannen. In einem Gremium des Bundestages hat sich diese Entwicklung in besonderer Weise niedergeschlagen: dem Petitionsausschuss. Seit 50 Jahren finden die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik in ihm eine Ansprechstelle für Anliegen und Nöte. Dem Petitionsausschuss ist die Titelgeschichte dieser Ausgabe von Blickpunkt Bundestag gewidmet.
Darüber soll allerdings die Vielfalt der Arbeit des Bundestags nicht in den Hintergrund treten: Weitere Schwerpunkte der Berichterstattung sind die Entscheidung des Parlaments, Bundeswehrsoldaten zur humanitären Hilfe nach Ost-Timor zu entsenden, die Ausschussberatung des Haushaltsplans für das Verteidigungsministerium, die Diskussion über einen Ausstieg aus der Atomwirtschaft und die Reform des Gesundheitswesens.
Ihr
Hans Hotter
Chefredakteur