"Manches zum Besseren gewendet"
Gespräch mit der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, Heidemarie Lüth (PDS)
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Blickpunkt Bundestag: Was ist denn an der Arbeit des Ausschusses besonders faszinierend?
Lüth: Zum einen ist es natürlich befriedigend, wenn man Bürgern helfen kann, die vergeblich vorher schon von Pontius zu Pilatus gelaufen waren, um ihr subjektiv empfundenes Recht zu erhalten. Manchmal steht das Recht gar nicht auf ihrer Seite, und es gibt trotzdem eine befriedigende Lösung - etwa in dem Fall einer alten pflegebedürftigen Dame, deren Pflegeversicherung die Höherstufung in der Pflegeklasse und die Finanzierung eines Notrufpiepsers abgelehnt hatte. Das war eine korrekte Entscheidung. Aber der Petitionsausschuss konnte die Pflegekasse bewegen, wenigs-tens den Notruf zu übernehmen.
Korrekt war auch die Einberufung eines Zivildienstleistenden, der bereits seit mehreren Jahren eine kleine Firma mit fünf bis sechs Mitarbeitern in Ostdeutschland leitete. Die Ableistung des Zivildienstes hätte aber zum damaligen Zeitpunkt die Existenz des Unternehmens gefährdet. Wir haben Partei übergreifend eine für alle zumutbare Lösung gefunden.
"Es ist natürlich befriedigend, wenn man Bürgern helfen kann"
Besonders bewegt hat mich der Fall eines Kirchenasyls von Kurden in Münster. Mit der Kraft aller Kollegen haben wir die geplante Abschiebung in die Türkei, gegen die bereits zahlreiche Vereine, Organisationen und die Kirche wegen möglicher Gefahren für die Kurden vergeblich Einspruch erhoben hatten, im vergangenen Sommer doch noch verhindern können. Der Petitionsausschuss hat das Bundesamt für Flüchtlingsfragen zur nochmaligen Untersuchung aufgefordert. Bereits ohne positive Entscheidung wurde das Kirchenasyl daraufhin gelockert, und die Familie bekam eine Wohnung.
Und wie sieht es mit Anregungen und Verbesserungsvorschlägen aus?
Allein in den vergangenen Jahren gab es 6.000 Petitionen von Bürgern, die Vorschläge zur Rechtsgestaltung machten. Mich hat es immer besonders gereizt, den Bürgern zu helfen, die entgegen dem allgemeinen Trend zur Politikverdrossenheit als Einzelpersonen ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme wahrnehmen. Und tatsächlich werden ihre Anregungen sehr häufig in Gesetzesvorhaben berücksichtigt, wenn wir sie als Empfehlungen oder Material an Regierung und Fraktionen weiterleiten.
"Anregungen wurden sehr häufig in Gesetzesvorhaben berücksichtigt"
So wurde ausgehend von Petitionen zum Beispiel der Einzelgesprächsnachweis bei der Telekom angeboten und die Regulierungsbehörde für Post- und Telekommunikation hat eine Beschwerdestelle für Bürger eingerichtet, die sich über zu hohe Telefonrechnungen beklagen.
Bei der Umsetzung unserer Erwägungsbeschlüsse hat sich seit dem Regierungswechsel manches zum Besseren gewendet. Die Regierung Kohl hat im Durchschnitt etwa zehn Prozent unserer Empfehlungen aufgegriffen. Die rotgrüne Bundesregierung hat von den 25 Erwägungsbeschlüssen, die wir seit November 1998 an sie gerichtet haben, bereits 14 verwirklicht. Sie betreffen vorwiegend Asylprobleme, Renten, Streckenführungen der Bahn und die Unfallversicherung. Für die Petenten und den Ausschuss ist es ein gutes Zeichen und zusätzliche Ermutigung, dass der Politikansatz von außen stärker in die Bundespolitik einbezogen wird. Allerdings ist die hohe Umsetzungsrate auch dadurch erleichtert worden, dass die Wünsche vieler Petenten bereits in der Koalitionsvereinbarung oder dem Regierungsprogramm berücksichtigt waren. Im Ausschuss selber wird spürbar, dass durch den Regierungswechsel, der ja auch dem Ausschuss neue Mehrheiten brachte, manche Petitionen positiv beschieden werden, die es früher schwerer hatten. Das gilt zum Beispiel für die großen Bereiche Asyl- und Ausländerfragen.