DEBATTE ZUM STAND DER DEUTSCHEN EINHEIT
Bundeskanzler Schröder sieht große Erfolge beim Aufbau der neuen Länder
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Zehn Jahre danach hat die Bundesregierung im Parlament eine positive Bilanz des deutschen Vereinigungsprozesses gezogen. |
(nl) "Große Erfolge beim Aufbau Ost" sieht Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zehn Jahre und zwei Tage nach Öffnung der Mauer. Die Erfolge der ostdeutschen Wirtschaft machte er an einem zwischen 1991 und 1998 gestiegenen Bruttoinlandsprodukt von 31 auf 60 Prozent des westdeutschen Vergleichsniveaus fest. Ostdeutschland verfüge über das "modernsten Kommunikationsnetz Europas" und nehme "Spitzenplätze in der Biotechnik, Informatik und Halbleiterforschung" ein.
Allerdings, so der Bundeskanzler weiter, sei die Wiedervereinigung "für viele Menschen mit herben Einbußen und tiefen Einschnitten verbunden". Die etwa doppelt so hohe Arbeitslosigkeit gegenüber Westdeutschland, Identitätsverluste und die mangelnde Anerkennung der Leistungen ostdeutscher Bürger nannte er in diesem Zusammenhang. Künftig möchte die Bundesregierung ihr Engagement insbesondere in den Bereichen Forschung, Ausbildung, unternehmerische Eigeninitiative und Verkehrsinfrastruktur verstärken. Dazu habe sie das Forschungsförderungsprogramm InnoRegio im Umfang von 500 Millionen DM geschaffen. Bestehende Programme zum Abbau von Jugendarbeitslosigkeit sollen weitergeführt oder wie im Falle des Straßenbaus um 3 Milliarden DM aufgestockt werden.
"Buchhalterische Bilanz"
Heftig kritisiert wurde der Bundeskanzler in der Debatte vom 11. November von Arnold Vaatz (CDU/CSU). Dieser warf ihm vor, "sich die innere Kälte gegenüber der deutschen Einheit" bewahrt zu haben, was sich in dessen "nüchterner und buchhalterischer" Bilanz äußere. Vaatz, ein ehemaliger Sprecher der Oppositionsbewegung Neues Forum in der DDR, kritisierte die Koalition von SPD und PDS in MecklenburgVorpommern und warf der Regierung vor, sie habe damit den "antitotalitären Konsens" schon vor Jahren aufgekündigt, auf den sie sich noch im "Bericht zum Stand der Deutschen Einheit" stütze. Als weiteres Defizit des Berichtes nannte Vaatz den fehlenden Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Ländern mit Polen und anderen Nachbarn im Osten. Ein solcher Vergleich hätte deutlich machen können, dass Deutschland durch die Vereinigung nicht schwächer, sondern stärker geworden sei.
Gemessen an seinen Leistungen von 1989 in Dresden sei Vaatzs Rede eine "einzige Enttäuschung" gewesen, kommentierte Peter Struck (SPD) seinen Vorredner. Er hob unter anderem den Risikostrukturausgleich zugunsten der ostdeutschen Krankenkassen und die Beseitigung von Ungerechtigkeit für Opfer des SEDRegimes als Errungenschaften der neuen Regierung im Einigungsprozess hervor.
Wolfgang Gerhardt (FDP) wandte sich gegen eine "Verklärung der Vergangenheit" und trat dafür ein, die gewonnene Freiheit und demokratische Grundverfassung stärker zu würdigen. Nicht die Treuhandanstalt sei für den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft verantwortlich, sondern das SEDRegime. In diesem Zusammenhang forderte Gerhardt die Menschen der ehemaligen DDR zu mehr Leistungsbereitschaft zum Wohle der Mitbürger auf: "Wir stülpen doch niemandem die Erfolgsgeschichte der alten Bundesrepublik über, wenn wir 17 Millionen Menschen aus Ostdeutschland einladen, ein Stück dieser Erfolgsgeschichte neu mitzuschreiben."
Demgegenüber bedauerte Werner Schulz (Bündnis 90/Die Grünen), dass sich das deutsche Volk nicht "in freier Selbstbestimmung" eine neue Verfassung gegeben habe. Dennoch sei der Aufholprozess in den neuen Ländern gut vorangekommen. Dabei hob er insbesondere die von der Bundesregierung aufgestellte Systematik bei den Transferleistungen in das Gebiet zwischen Elbe und Oder lobend hervor. Mit Bezug auf die Sparpläne der Bundesregierung sagte Schulz, das Sparpaket sei nicht zulasten der neuen Länder geschnürt worden.
Gregor Gysi (PDS) sah in der von der Bundesregierung angekündigten Weiterführung des Solidarbeitrags nur auf hohem Niveau eine vorweggenommene Kürzung der Transferleistungen für Ostdeutschland. Er forderte die Bundesregierung auf klarzustellen, "in welchen Fristen und in welchen Schritten die Angleichung erfolgen soll".
Der Bundestag überwies einen Entschließungsantrag der F.D.P. ( 14/2039) zur Beratung an den Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, jährlich zum Tag des Mauerfalls anstelle des Berichts zum "Stand der Deutschen Einheit" einen Bericht zur Lage der Nation im wiedervereinten Deutschland vorzulegen.