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Ohne Ehrenamt keine demokratische Gesellschaft
Wie können wieder mehr Menschen fürs Ehrenamt begeistert werden? Wie kann Bürgerschaftliches Engagement aufgewertet werden? Welche finanziellen und immateriellen Anreize sollte es geben? Mit diesen Fragen wird sich die neue Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" beschäftigen. Die Kommission, die das Parlament am 15. Dezember 1999 eingesetzt hat, wird ihre Arbeit mit Beginn des neuen Jahres aufnehmen (siehe Seite 44).
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Beispiel: Mitglieder des Malteser- Hilfsdienstes schneiden Berliner Obdachlosen die Haare. |
Blickpunkt Bundestag fragt schon jetzt Politiker aller fünf Bundestagsfraktionen, welche Rahmenbedingungen die Politik schaffen kann und muss, um ehrenamtliches Engagement zu fördern. Dabei sind sich alle einig: Ehrenamtliches Engagement ist unverzichtbare Grundlage für eine funktionierende demokratische Gesellschaft. Und: Die gesellschaftliche Anerkennung für die über zwölf Millionen Ehrenamtler in Deutschland ist zu gering.
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Beispiel: Musiker und Sänger aus Ghana bringen Berliner Senioren das Trommeln bei. |
Alle fünf Politiker stellen besorgt fest, dass die Bereitschaft zum Engagement nachlässt, dass sogar viele Menschen solche Verpflichtungen aus ihren Lebensplänen komplett ausblenden. So klagen denn auch Verbände, Vereine und soziale Institutionen über Nachwuchsmangel.
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Michael Bürsch, SPD |
Gemeinsinn ist heute nötiger denn je
Die Bereitschaft, sich in unserer Gesellschaft ehrenamtlich zu engagieren, bildet eine unverzichtbare Grundlage für eine demokratische Gesellschaft. In einer immer mehr von Individualisierung geprägten Gesellschaft brauchen wir den Gemeinsinn in Form des Bürgerschaftlichen Engagements stärker denn je. Dies gilt in allen Bereichen wie Kultur, Sport, Soziales, Kirche, Pflege, Jugendarbeit, Altenarbeit, Gesundheitswesen, Bildung, Erziehung, Katastrophenschutz, Rechtswesen, Arbeit und Wirt-schaft, Umwelt/Ökologie und Politik. Dazu muss die Politik Vorgaben definieren, um ehrenamtliche Tätigkeit, Freiwilligenarbeit und Selbsthilfe auch in kleineren gesellschaftlichen Einheiten zu ermöglichen.
Verpflichtungen verlieren an Bedeutung
Sozialwissenschaftliche Analysen bestätigen, dass für viele Menschen Pflichten und Verpflichtungen immer mehr an Bedeutung verlieren, aus den Lebensplänen ausgeblendet werden. Dies betrifft besonders die Mitwirkung in Parteien, Gewerkschaften, in Wohlfahrtsorganisationen sowie Jugendverbänden und auch in sozialen Institutionen, die jetzt als "Neues Ehrenamt" bezeichnet werden.
Die herkömmliche Basis, aus der sich freiwilliges Engagement entwickelt hat, wird immer schmaler. Nahezu alle Verbände oder Vereine, Feuerwehren und soziale Institutionen klagen über Nachwuchsmangel. Ich halte das Bürgerschaftliche Engagement für die entscheidende Voraussetzung, uns zu einer gerechten Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln, in der Gemeinnutz mehr gilt als Eigennutz.
An diesem Punkt setzt die Aufgabenstellung der Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag an. Neben den elf Abgeordneten werden elf Sachverständige und Praktiker in der Kommission mitarbeiten. Außerdem werden wir ein breites Spektrum von Institutionen und Personen, die auf dem Gebiet des Bürgerschaftlichen Engagements tätig sind, durch Anhörungen, Befragungen etc. an der Kommissionsarbeit beteiligen. Die Bestandsaufnahme und die zu erarbeitenden konkreten politischen Umsetzungsstrategien sollen in eine Beschreibung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Deutschland eingebunden werden, in der das Bürgerschaftliche Engagement eine bedeutende Funktion für den Einzelnen und für das Gemeinwohl besitzt.
Allen engagierten Gruppen ein Forum bieten
Wir möchten allen gesellschaftlich engagierten Gruppen mit der Enquete-Kommission ein Forum bieten, gemeinsam zu überlegen, wie wir die Bereitschaft zum Bürgerschaftlichen Engagement noch mehr fördern können.
Politik kann manche Rahmenbedingungen für Bürgerschaftliches Engagement verbessern, z.B. zur Entbürokratisierung beitragen, finanzielle und immaterielle Anreize für Ehrenamtler schaffen.
Das gemeinnützige Engagement wird, so hoffe ich, durch die Enquete-Kommission aufgewertet und erhält somit einen neuen Stellenwert in unserer Gesellschaft. Ich werde an dieser Aufgabe mit großer Freude mitwirken.
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Klaus Riegert, CDU/CSU |
Eigeninitiative, Eigendynamik, Eigenverantwortung
Bürgerinnen und Bürger, die über die Einflussnahme der Politik klagen, sind oftmals diejenigen, die zuvor Regelungen durch die Politik angemahnt haben. Dieses ambivalente Verhalten können wir nicht auflösen. Es sind die persönliche Betroffenheit und die unterschiedlichen Einflüsse des mittelbaren und unmittelbaren Umfeldes, die Regelungen durch die Politik fordern und verwerfen. Die Auswirkungen der eingeforderten politischen Entscheidungen werden erst bei der Umsetzung im Alltag spürbar. Dann reift die Einsicht - oft zu spät -, weniger wäre mehr gewesen und Handeln in Eigenverantwortung effektiver als staatliche Verordnungen.
Vor allem, wenn es sich um ehrenamtliche Tätigkeiten handelt. Wir üben diese in unserer freien Zeit aus, wir suchen Entspannung, Freude und Spaß, wir wollen unsere Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten für andere und das Gemeinwohl einsetzen. Dazu brauchen wir Freiräume zur Entfaltung unserer Vorstellungen, weniger Bestimmungen und weniger Vorgesetzte. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die unsere Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Eigendynamik fördern und stärken.
630-Mark-Gesetz als abschreckendes Beispiel
Dies wäre in erster Linie mehr Verständnis der Politik für ehrenamtliches Engagement vor Ort. Die Suche nach Räumlichkeiten, die Nutzung von Plätzen und Hallen, die Auflagen für Sicherheit dürfen nicht durch bürokratische Verordnungen behindert werden.
Hier sind weniger Rahmenbedingungen, weniger Bestimmungen gefordert, aber mehr Verständnis. Rahmenbedingungen scheinen oft für haupt- und nebenberuflich Tätige gedacht zu sein, weniger für die ehrenamtlich Tätigen. Sie dürfen nicht den Eindruck gewinnen, sie seien lediglich ausführende Organe eines vorgegebenen Systems. Wir brauchen ein Mehr in Fragen der Sicherheit und Haftung für ehrenamtlich Tätige. Hier dürfen wir die Ehrenamtlichen, die vernünftig, umsichtig und nach bestem Gewissen handeln, nicht allein lassen. Sie brauchen Rechtssicherheit und Verlässlichkeit.
Wir brauchen übersichtliche und unbürokratische Regelungen zur Anwendung der Aufwandsentschädigung. Es darf nicht angehen, dass ein ehrenamtlich Tätiger eine zu große Zeit seines Engagements mit bürokratischen Arbeiten verbringt.
Das 630-DM-Gesetz ist ein abschreckendes Beispiel, wie Politik das Ehrenamt schädigt. Der ehrenamtlich Tätige wird zur Ersatzleistung für den Staat missbraucht. Er soll fit sein in Fragen des Steuerrechts und soll den versicherungstechnischen Status von Mitarbeitern festlegen. Für Unregelmäßigkeiten muss er geradestehen. Dies schafft Verdruss und Abkehr vom Ehrenamt. Deshalb muss die gesetzliche Regelung zumindest für alle gemeinnützigen Vereine schnellstens vom Tisch.
Ehrenamt braucht öffentliche Wertschätzung
Wir brauchen mehr Qualifizierungsangebote und erforderliche Freistellungen sowohl für die Weiterbildung als auch für ehrenamtliche Tätigkeiten. Dies geht nicht durch eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung, sondern über Einsicht der Tarifpartner oder der unmittelbar Betroffenen.
Wir brauchen von der öffentlichen Seite, vor allem der Medien, Anerkennung und Wertschätzung ehrenamtlicher Tätigkeit. Hier liegt eine Aufgabe der Politik, durch Überzeugung Einfluss zu nehmen. Dies ist schwieriger, als durch gesetzgeberische Maßnahmen etwas anzuordnen. Ein Klima der Verlässlichkeit, des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung auch der freiwilligen unentgeltlichen Tätigkeit unserer Ehrenamtlichen sind mehr wert als eine Häufung von Regelungen. Wir sollten weniger über das Ehrenamt sprechen, es stärker annehmen und und mehr angagieren.
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Christian Simmert, B'90/Die Grünen |
Der Staat muss den Rahmen setzen
Ehrenamtliches Engagement ist eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft. Allerdings verändern sich die gesellschaftlichen Bedingungen beständig und mit ihnen auch die Muster gelebter Sozialbeziehungen. Hier gilt es, von staatlicher Seite aus die Rahmenbedingungen für den ge-samten Bereich freiwilliger Arbeit sicherzustellen.
Bündnis 90/Die Grünen haben sich deshalb für die Einsetzung der Enquete-Kommission "Bürgerschaftliches Engagement" stark gemacht, welche sich diesem "weiten Feld" widmen wird. Für die Bündnisgrünen werden die relativ neuen Freiwilligenagenturen sowie Selbsthilfeorganisationen im Rahmen Bürgerschaftlichen Engagements einen Schwerpunkt bilden. Grundlage hierfür ist eine Definition des Bereiches und eine Analyse und Bestandsaufnahme über alle Erscheinungsformen freiwilligen Engagements.
Verhältnis von bezahlter und unbezahlter Arbeit klären
Von großer Bedeutung wird für uns auch die Klärung des Verhältnisses zwischen bürgerschaftlichem Engagement und Erwerbsarbeit, also zwischen "unbezahlter" und "bezahlter" Arbeit, sein. Hierbei werden sich die Bündnisgrünen in "klassischer Weise" den geschlechts- und generationenspezifischen Fragen stellen. Die Reform des Stiftungsrechts ist über Jahre ein wichtiges Arbeitsfeld der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen gewesen. Diese wichtige Vorarbeit wurde besonders von Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, vorangetrieben. Ihr Engagement wird sie zusammen mit mir in der Enquete-Kommission weiter verfolgen. Des Weiteren werde ich mich dafür einsetzen, besonders jungen Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, sich freiwillig zu engagieren.
Mehr junge Menschen als Freiwillige gewinnen
Dabei müssen die Rahmenbedingungen für die europäischen wie auch internationalen Freiwilligenprogramme verbessert und ein weiter Kreis junger Menschen als Freiwillige geworben werden. Bündnis 90/Die Grünen sehen gerade im Freiwilligendienst für junge Frauen und Männer die Möglichkeit, Jugendliche stark zu machen und sie auch in späteren Jahren für gesellschaftliches Engagement und soziale Verantwortung zu gewinnen.
Bündnis 90/Die Grünen wollen jungen Menschen in dieser Gesellschaft Perspektiven eröffnen. Das heißt, ihre Probleme ernst zu nehmen und auch derart schwerwiegenden wie denen der Jugendkriminalität nicht durch "law and order", sondern mit präventiven Maßnahmen zu begegnen. Alle jungen Menschen, auch solche mit Benachteiligungen oder MigrantInnen und SpätaussiedlerInnen, müssen die Möglichkeit bekommen, in der Orientierungsphase nach der Schulzeit z.B. in Freiwilligendiensten ihre sozialen, emotionalen, interkulturellen und kommunikativen Fähigkeiten schulen zu können. Damit wirklich allen jungen Menschen der Zugang ermöglicht wird, müssen z.B. die sozialversicherungstechnischen Bedingungen gesetzgeberisch geklärt werden. Bündnis 90/Die Grünen haben diesen Herbst "Eckpunkte für internationale mittelfristige Freiwilligendienste" verabschiedet und machen sich für ein Freiwilligengesetz stark. Längerfristig muss für diesen Bereich aus unserer Sicht eine europäische Regelung gefunden werden.
Freiwilliges Engagement kann die jungen Menschen dabei unterstützen zu lernen, selbstbewusst Entscheidungen für ihr Leben zu treffen. Wir begrüßen deshalb auch, dass der Deutsche Bundestag in Zusammenarbeit mit dem Initiativkreis "Demokratie leben" zum diesjährigen Tag des Ehrenamtes überwiegend Jugendprojekte ausgezeichnet und damit ein klares Zeichen gesetzt hat.
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Irmgard Schwaetzer, F.D.P. |
Selbstlos und engagiert für die Gesellschaft
Das Ehrenamt ist eine freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit, deren Lohn lediglich die breite gesellschaftliche Anerkennung ist. Das Ehrenamt ist ein Beitrag zur Gestaltung und zur Sicherung der Funktionsfähigkeit unserer Gesellschaft. Ohne Gemeinsinn, ohne Zuwendung zum und Hilfe am Nächs-ten ist unser freiheitliches Gemeinwesen nicht denkbar und wäre auf Dauer um vieles ärmer und nicht lebensfähig. Als Ausdruck ihres Verständnisses einer solidarischen Gesellschaft setzen sich viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer selbstlos, uneigennützig und engagiert für unsere Gesellschaft ein und zeigen damit Bürgersinn, Mitwirkungs- und Verantwortungsbereitschaft.
Bereitschaft zum Ehrenamt geringer als früher
Leider ist ehrenamtliches Engagement in der heutigen Zeit weniger selbstverständlich und findet geringere öffentliche Anerkennung als früher. Dies liegt zum einen da-ran, dass wir in einer Zeit leben, in der viele Bürgerinnen und Bürger glauben, ihren Beitrag zur Gestaltung des Gemeinwesens durch hohe Abgaben und Steuern geleistet zu haben. Die Ausweitung staatlichen Handelns hat zur sozialen Absicherung vieler individueller Lebensrisiken geführt. Dadurch empfinden sich viele Bürgerinnen und Bürger durch die staatliche Daseinsvorsorge zunehmend mehr als Empfänger und Nutzer staatlicher Leistungen denn als Nutzgeber und Gestalter des Gemeinwesens. Als F.D.P. sind wir aber der Auffassung, dass der Staat nicht in alle Bereiche regulierend einzugreifen hat, sondern lediglich einen erforderlichen Handlungsrahmen gewähren muss. Dies gilt auch und besonders für das ehrenamtliche Engagement. Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu betätigen, muss aus der Gesellschaft selbst heraus erwachsen und der Freiwilligkeit des Einzelnen überlassen bleiben.
Gesellschaftliches Bewusstsein fördern
Der Staat, die Politik und die gesellschaftlichen Gruppen müssen demgegenüber dazu beitragen, das gesellschaftliche Bewusstsein zu fördern und den Einzelnen zur Ausübung des Ehrenamtes zu motivieren. Vorhandene Erschwernisse sind natürlich auszuräumen. So müssten z. B. die Regelungen zur Besteuerung der ehrenamtlich Tätigen, insbesondere die Erhöhung der Übungsleiterpauschale nach § 3 Nr. 26 Einkommenssteuergesetz, erhöht werden. Ansonsten muss es aber der Vielfalt und der Bereitschaft jedes Einzelnen aller Gruppen des gesellschaftlichen Lebens überlassen bleiben, bürgerschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Auf die sich in unserer Gesellschaft entwickelten Änderungen, die nicht mehr die traditionellen Organisationsformen wie Wohlfahrtsverbände, Vereine und Stiftungen etc. im Vordergrund sehen, und wo sogar ein Nachlassen ehrenamtlicher Bereitschaft zu erkennen ist, muss reagiert werden. Kleinere Gruppen und Initiativen, z. B. Bürgerinitiativen, verspüren starken Zuspruch. Dies ist besonders darauf zurückzuführen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger heutzutage eher in einzelnen Fragen engagieren als im breiten Felde. Darauf müssen die Politik und die Gesellschaft sich einstellen und reagieren, um den leider zu beklagenden Rück-gang im ehrenamtlichen Engagement aufzufangen.
Des Weiteren sind breit angelegte Kampagnen notwendig, um Menschen für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Der Staat an sich kann da nur Rahmenbedingungen schaffen, die Anreize erhöhen, um mehr Menschen zu solcher Tätigkeit zu mobilisieren. Regulierende Eingriffsmaßnahmen sind nicht sinnvoll.
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Petra Bläss, PDS |
Durchschnittlich 20 Wochenstunden für das Ehrenamt
Die Arbeit ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer verdient eine hohe gesellschaftliche Wertschätzung.
Keine Kommune, kein Wohlfahrtsverband, keine Seniorinnen- und Seniorenvertretung, kein Verein, keine Kultureinrichtung, kein Sportverband, keine Kirche, keine Partei kommt heute ohne ehrenamtlich Arbeitende aus.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege hat errechnet, dass 1,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger ehrenamtliche Arbeitsleistungen im Werte von 6,2 Milliarden Mark erbringen. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge geht davon aus, dass das Arbeitsvolumen ehrenamtlich Tätiger im sozialen Bereich durchschnittlich 20 Wochenstunden beträgt.
Ehrenamtler brauchen Versicherungsschutz
Die entsprechende Würdigung der Politik durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen steht in vielen Punkten noch immer aus.
Ich denke an einen umfassenden Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige, an die Anerkennung erbrachter Leistungen in Form von rentenrechtlichen Anwartschaften, an Bildungs- und Qualifikationsangebote sowie die Anerkennung der Qualifizierung als Bildungsurlaub, an bundeseinheitliche Freistellungsregelungen, an Steuerbefreiung für Aufwandsentschädigungen, an steuerliche Absetzbarkeit der für die Ausbildung im sozialen Ehrenamt z. B. entstehenden Kosten sowie an die Verankerung von Mitbestimmungsrechten ehrenamtlich Tätiger.
Die PDS-Fraktion schlägt vor, dies alles in einem Ehrenamtgesetz zu regeln. Ein Hauptproblem besteht darin, dass den größten Teil ehrenamtlicher Arbeit "vor Ort" vor allem im sozial-karitativen Bereich Frauen leisten, während Männer eher in Gremien und leitenden Ehrenämtern tätig sind. Frauen erbringen 80 Prozent der ehrenamtlichen, unbezahlten sozialen Arbeit, während Männer etwa den gleichen Anteil an leitenden Ämtern wahrnehmen. In der Familien- und Altenhilfe beträgt der Frauenanteil fast 100 Prozent. Ehrenamtlichkeit basiert auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit. Meines Erachtens ist die beste Voraussetzung dafür die eigene wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Ausmaß der Arbeitslosigkeit nicht verschleiern
Nicht zuletzt die Diskussionen in den letzten Monaten haben erneut deutlich gemacht, dass die Ausweitung ehrenamtlicher Sozialarbeit immer mehr zum Ersatz für bezahlte Arbeit werden soll. Damit aber wird das Ausmaß der Erwerbslosigkeit verschleiert, werden vor allem Frauen aus dem Arbeitsmarkt verdrängt bzw. ihre Wiedereingliederung verhindert. Das Ehrenamt darf kein Ersatz für Erwerbsarbeit von Frauen und schon gar nicht eine Alternative zur bezahlten Arbeit sein.
Die PDS fordert gesetzliche Regelungen, die dazu beitragen, dass bezahlte und unbezahlte Arbeit gerechter verteilt werden.
Infos:
In Enquete-Kommissionen arbeiten Parlamentarier und Sachverständige, die nicht dem Bundestag angehören, zusammen, sammeln Informationen über die Auswirkungen von technischen, ökonomi-schen, gesellschaftlichen Entwicklungen und bewerten sie. Das Ziel: dem Parlament künftige Regelungs- und Entwicklungsmöglichkeiten zu zeigen und Empfehlungen für politische Entscheidungen zu erarbeiten.
Ausführliche Informationen zum Thema Enquete-Kommissionen finden Sie in der Broschürenreihe "Stichwort", die der Bundestag herausgibt. Sie kann angefordert werden beim Deutschen Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit, Telefon 030/227-274 53 oder Telefax 030/227-265 06.