REGIERUNGSERKLÄRUNG UND DEBATTE
"Vorsorgender Verbraucherschutz ist eine Aufgabe aller Ressorts"
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Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen). |
(lw) Als Meilenstein für eine andere Politik hat die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), die Verbindung zwischen Landwirtschaft und Verbraucherschutz bezeichnet. In ihrer Regierungserklärung zur Neuorientierung der Verbraucher- und Agrarpolitik am 8. Februar stellte sie fest, "der BSE-Skandal markiert das Ende der Landwirtschaftspolitik alten Typs".
Ab sofort würden die Verbraucher geschützt und nicht der Verbrauch. In dieser Politik liege die Zukunft der deutschen Landwirte. Der vorsorgende Verbraucherschutz werde zu einer Aufgabe der gesamten Bundesregierung werden und in allen Resssorts bestens aufgehoben sein, erklärte die Ministerin. Daneben kündigte Künast die Einrichtung eines Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit an.
"Klasse statt Masse"
Der Ministerin zufolge setzt die Regierung auf eine Agrarwende, deren Maßstab Klasse statt Masse ist. Dabei bildeten die Akteure Verbraucherinnen und Verbraucher, Landwirte, Futtermittelindustrie, Lebensmittelindustrie, Einzelhandel und Politik "das magische Sechseck der Agrarwende". Die Verbraucher sollen sich in Zukunft, so Künast, an zwei Qualitätszeichen orientieren können. Das erste stehe für den ökologischen Landbau, den die Ministerin in zehn Jahren auf einen Anteil von 20 Prozent bringen will. Das zweite Qualitätszeichen stehe für die konventionelle Landwirtschaft und dafür, dass dort Mindeststandards eingehalten würden.
Eine herausragende Rolle kommt nach den Worten der Ministerin dem Einzelhandel zu, der nicht länger nach den billigsten Produkten, sondern nach Qualität fragen solle. Ferner warb sie für eine Partnerschaft zwischen Lebensmittelindustrie und den Bauern. Im Bereich der Futtermittel werde die Regierung durch offene Deklaration und eine Positivliste für eine "gläserne Produktion" sorgen. Ausdrücklich widersprach Künast dem Eindruck, die Bauern allein seien an der Krise schuld. Die Politik hat nach Ansicht der Ministerin bisher das dringend Notwendige getan. So habe sie alle Gruppen an einen Tisch geholt, für Maßnahmen der BSE-Bekämpfung 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt und ein BSE-Bekämpfungsgesetz vorgelegt (siehe Seite 19).
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Angela Merkel (CDU/CSU). |
Angela Merkel (CDU/CSU) nannte es richtig, das Thema BSE nicht zum parteipolitischen oder ideologischen Streit zu benutzen. Stattdessen müsse alles getan werden, das Problem in den Griff zu bekommen. Sie forderte eine intensivere Forschung, eine internationale Forschungskonferenz, auf Bundesebene einen koordinierenden wissenschaftlichen Beirat und Regelungen auf europäischer Ebene. Mit Blick auf die Zukunft der Landwirtschaft stellte die Unionspolitikerin fest, es gehe nicht um 20 Prozent und ausschließlich um den ökologischen Landbau, sondern um 100 Prozent der Landwirtschaft. Merkel warf der Regierung vor, die Bauern zusätzlich zu dem Preisdruck, dem sie unterworfen seien, noch stärker belastet zu haben. Nur der halbe Weg auf der richtigen Strecke ist nach Ansicht der Unionspolitikerin die Bündelung von Verbraucherschutzinteressen in einem Ministerium. Daneben müsse ein zweites Ministerium für den ländlichen Raum und die Landwirtschaft stehen.
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Peter Struck (SPD). |
Peter Struck (SPD) forderte dazu auf, auch die Arbeitsplätze in der Nahrungsmittelindustrie im Auge zu behalten. Er stellte klar, niemand wolle, dass in Deutschland nur noch ökologischer Landbau betrieben werde. Klar sei jedoch, dass die alte Agrarpolitik in eine Sackgasse geraten sei. Deshalb gehe es darum, eine neue Agrarpolitik zu machen.
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Ulrich Heinrich (F.D.P.). |
Ulrich Heinrich (F.D.P.) warnte vor einem neuen staatlichen Dirigismus in Richtung Ökologisierung der Landwirtschaft. Es bedürfe hier keinesfalls einer Förderung der Produktion, sondern einer modernen Marktstrategie, verbunden mit einer verbesserten Angebotsinfrastruktur und einer besseren Logistik. Einen Entschließungsantrag ( 14/5230), in dem die Liberalen diese Forderung untermauerten, wies der Bundestag mit großer Mehrheit zurück.
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Rezzo Schlauch (Bündnis 90/Die Grünen). |
Rezzo Schlauch (Bündnis 90/Die Grünen) forderte ein Ende des "immer mehr und immer billiger". Diese Logik sei der Boden, auf dem sich die heute beklagten Strukturen entwickelt hätten und der die BSE-Krise erst möglich gemacht habe. In der Diskussion sei es ebenso notwendig, für die Aufklärung der Verbraucher zu sorgen, wie auch die Agrarpolitik "aus der Ecke einer reinen Fachfrage" herauszubringen.
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Roland Claus (PDS). |
Für die PDS sprach Roland Claus Bundesministerin Künast seinen Respekt für ihr "beherztes Agieren" aus. Den gewählten Ansatz bezeichnete er dagegen als falsch. Er glaube nicht an den Vollzug der beschriebenen Agrarwende.