SONDERAUSSCHUSS "MASSSTÄBEGESETZ/FINANZAUSGLEICHSGESETZ"
Ministerpräsidenten sehen weiterhin "teilungsbedingten Nachholbedarf"
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Der Vorsitzende des Sonderausschusses, Volker Kröning (SPD), mit den Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (links) und Reinhard Höppner (Mitte). |
(fi) Der thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hat die Notwendigkeit hervorgehoben, dass die Anschlussregelung für den Solidarpakt zugunsten der neuen Länder ab 2005 ("Solidarpakt II") nicht hinter dem derzeitigen Volumen zurückbleiben darf. Im Sonderausschuss "Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz" betonte Vogel am 16. Februar, diese Notwendigkeit müsse im Maßstäbegesetz festgeschrieben werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber durch ein Urteil aus dem Jahre 1999 aufgetragen, bis Ende 2002 ein solches Maßstäbegesetz als ersten Schritt für eine Neugestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs zu verabschieden.
Der auf zehn Jahre angelegte und Ende 2004 auslaufende Solidarpakt I sichert den neuen Ländern Bundesergänzungszuweisungen, Mittel nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost und Finanzhilfen des Bundes zu. Nach den Worten des Thüringer Regierungschefs gibt es weiterhin einen teilungsbedingten Nachholbedarf, der sich in einer Lücke bei der Infrastruktur von 200 Milliarden DM, einer Lücke bei den Ausrüstungsinvestitionen der Wirtschaft von 100 Milliarden DM und Ausgleichsbedarf aufgrund kommunaler Finanzkraftunterschiede von 8,8 Milliarden DM im Jahr niederschlage.
Noch weit unter Westniveau
Forschungsinstitute hätten ermittelt, dass das Infrastrukturniveau im Osten nur 60 Prozent des Westniveaus erreicht habe und bis 2005 auf höchstens 70 Prozent ansteigen werde. Mit einer Angleichung an das Westniveau sei nicht vor 2030 zu rechnen. Vorrangig gehe es dabei um die verkehrsmäßige Anbindung ostdeutscher Produktionsstandorte, um die kommunalen Verkehrswege sowie um Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Das Ausrüstungsniveau der ostdeutschen Unternehmen liege noch bei 40 Prozent des Wertes der West-Unternehmen.
Vogel sagte, es widerspreche der Absprache der Ministerpräsidenten mit dem Kanzler, dass der Solidarpakt II im Referentenentwurf des Maßstäbegesetzes nicht berücksichtigt sei. Er widersprach der Feststellung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der Osten stehe wirtschaftlich und sozial "auf der Kippe". Im Osten gehe es differenzierter zu, es gebe Wachstumsregionen und Regionen mit großen Strukturproblemen. Ziel müsse es sein, dass die neuen Länder den Platz einnehmen können, den sie ohne die deutsche Teilung inne hätten.
Auf die Frage nach einer stärkeren Anreizfunktion des künftigen Länderfinanzausgleichs sagte der Ministerpräsident, dies beziehe sich nicht auf den Solidarpakt. Der Solidarpakt solle teilungsbedingte Schäden abarbeiten, während es beim Finanzausgleich darum gehe, Strukturunterschiede auszugleichen. Einziges Mittel gegen die Abwanderung aus den neuen Ländern sei es, die Attraktivität des Standortes zu erhöhen.
Der Regierungschef von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner (SPD), wies darauf hin, dass die neuen Länder nur von 1994 bis 1996 höhere Ausrüstungsinvestitionen pro Kopf der Bevölkerung gehabt hätten als Westdeutschland. Die Position der Länder sei es, die Förderung weitere zehn Jahre auf dem bisherigen Niveau fortzusetzen.
Zum Anreizsystem merkte Höppner an, er könne dem nichts abgewinnen. Ein Anreizsystem funktioniere nur bei Chancengleichheit, die noch nicht hergestellt sei. Die Länder müssten die Faktoren, die Geld in die Kasse bringen, auch beeinflussen können. Die neuen Länder seien auch am Ende ihrer Möglichkeiten, was die Kofinanzierung von Bundesprogrammen angehe.
Kritisch äußerte sich der Ministerpräsident zur Frage einer hundertprozentigen Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft in den Länderfinanzausgleich, wie dies der Bund befürworte. Dies werde mit den Ländern nicht zu machen sein. Die Geberländer wollten nur 50 Prozent einbeziehen, so dass es im Ergebnis auf einen Anteil zwischen 50 und 100 Prozent hinauslaufen werde.
In der Ausschusssitzung am 9. Februar hatte die Bundesregierung erklärt, es sei unstrittig, dass es eine Verzahnung zwischen dem Finanzausgleichsgesetz und dem Solidarpakt geben werde, weil die Bundesergänzungszuweisungen Teil des Solidarpakts seien. Sachgerecht sei es auch, die Regelungen des Solidarpakts II ab 2005 aus dem Solidarpakt I abzuleiten.