Wann war’s – wer war’s?
Gewinnen Sie eine Reise nach Berlin!
Der amerikanische Historiker Michael S. Cullen erinnert in jeder Ausgabe an eine Episode der Reichstagsgeschichte. Wir stellen am Ende des Artikels eine Frage. Die Antwort schicken Sie als Fax, E-Mail oder per Postkarte an: Media Consulta Deutschland GmbH, Wassergasse 3, 10179 Berlin, Fax: (030) 65 000-190, E-Mail: blickpunkt@media-consulta.com. Einsendeschluss ist der 4. Juli 2003. Unter den richtigen Einsendungen werden fünf Preise verlost. Der Hauptgewinn ist eine Reise für zwei Personen nach Berlin. Die Lösung unseres Rätsels in Heft 3/03 lautet: Der große Konkurrent hieß Franz Xaver Gabelsberger. Eine Reise nach Berlin hat Klaus Senf aus Essen gewonnen.
„Vor Taschendieben wird gewarnt“
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Michael S. Cullen. | ||||||||||
Besucher des Reichstagsgebäudes können die Inschrift im Giebelfeld des Westeingangs schon von weitem sehen: „Dem deutschen Volke“. Heute gehört die Inschrift wie selbstverständlich zum Gebäude. Das war nicht immer so.
Die Zueignung „Dem deutschen Volke“ geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf Paul Wallot (1841 bis 1912), den Architekten des Reichstagsgebäudes, zurück. Sie war bereits Monate vorher Thema gewesen, fehlte bei der Schlusssteinlegung am 5. Dezember 1894 allerdings noch. Der dem Parlamentarismus distanziert gegenüberstehende Kaiser Wilhelm II. hatte offenbar intern seine Abneigung zu erkennen gegeben. Er hätte dem Schriftzug „Der deutschen Einigkeit“ den Vorzug gegeben. Das Fehlen der Inschrift wurde von einigen Zeitungen bemängelt. Eine Zeit lang übten sich die Blätter in Satire und druckten eigene, freilich ironische Vorschläge: „Eingang nur für Herrschaften!“ hieß es da. Oder in Anspielung auf einen Diebstahl im Reichstagsgebäude: „Vor Taschendieben wird gewarnt“. Provokanter war der Vorschlag: „Asyl für Vaterlandslose“.
Eine Inschrift ließ jedoch noch auf sich warten. Erst 1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde sie mit der Zustimmung des Kaisers angebracht, der in politisch schwieriger Lage dem Parlament Entgegenkommen zeigen wollte. Zuvor hatte er gekabelt: „falls ausschmueckungskommission inschrift beschlieszt, werden keine bedenken dagegen erhoben. nachsuchen ausdruecklicher genehmigung nicht mehr erforderlich.“
Bereits Ende August 1915 gab der Präsident des Reichstages, Johannes Kaempf, bekannt, dass die Inschrift angebracht werde. Ein Jahr verging. In dieser Zeit wurde der Schriftkünstler Peter Behrens mit dem Entwurf der Buchstaben betraut. Sogleich entbrannte ein Streit darüber, welche Schriftart zu verwenden sei: römische Antiqua, wie man sie häufig in der Stadt sah, oder deutsche Fraktur. Die Forderung lautete: „Eine deutsche Schrift für das deutsche Volk.“ Als Kompromiss wurde schließlich 1916 eine „jugendstilige“ Schrift angebracht. Weil sie nur aus Großbuchstaben besteht, hatte sie auch den Vorteil, dass das Wort „deutsch“ nicht klein geschrieben werden musste.
1916 wurde die bereits 1867 in Berlin gegründete Bronzegießerei S. A. Loevy mit der Herstellung der 60 Zentimeter hohen bronzenen Buchstaben beauftragt. Generös stiftete der Kaiser aus den Freiheitskriegen erbeutete Kanonen für den Guss der Buchstaben. Die Firma Loevy gehörte einer jüdischen Familie, die nach und nach von Antisemiten in Deutschland bedrängt wurde: manche konvertierten, manche änderten den Familiennamen, manche wanderten aus, und manche wurden in Vernichtungslagern ermordet. Von der Familie Loevy und der Inschrift kündet heute eine Gedenktafel an der westlichen Säulenfront des Reichstagsgebäudes.
Heute setzt sich eine Installation des Künstlers Hans Haacke mit der Inschrift auseinander. Im nördlichen Innenhof des Reichstagsgebäudes leuchten inmitten eines frei wuchernden Biotops die Neonlichtbuchstaben „DER BEVÖLKERUNG“ - in derselben Schrifttype wie die Giebel-inschrift. Unter der Internetadresse www.derbevoelkerung.de kann dem Biotop über eine Webcam beim Wachsen zugesehen werden.
Die Preisfrage lautet: Bis wann regierte Kaiser Wilhelm II.?