Streitgespräch
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Michael Meister und Christine Scheel. |
Tabaksteuer
Rauchen für die Gesundheit?
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Streitgespräch im TV-Studio des Bundestages mit dem Moderator Sönke Petersen. |
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Die geplante Erhöhung der Tabaksteuer erhitzt die Gemüter. Die Bundesregierung will mit ihr das Gesundheitssystem entlasten und die Kassenbeiträge nach Möglichkeit senken. Kluger Ausweg aus der Krise oder finanzpolitischer Sündenfall? Darüber führte BLICKPUNKT BUNDESTAG ein Streitgespräch mit der Abgeordneten und Vorsitzenden des Finanzausschusses des Bundestages Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) und dem finanzpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Michael Meister.
Blickpunkt Bundestag: Rauchen Sie, Frau Scheel? Wenn ja: Würden Sie einen Euro - also gut ein Drittel mehr - für eine Schachtel Zigaretten ausgeben?
Christine Scheel: Ich rauche nur sehr sporadisch und will es ganz lassen. Ich hoffe, dass es auch bei jungen Leuten, bei denen das Einstiegsalter fürs Rauchen inzwischen leider schon bei 13,6 Jahren liegt, jetzt zu einer Verhaltensänderung kommt. Die meisten Erwachsenen allerdings werden wohl nicht aufs Rauchen verzichten, auch wenn es teurer wird.
Blickpunkt: Sinn der Tabaksteuererhöhung soll sein, den Tabakkonsum zu drosseln. Dann aber käme kaum mehr Geld in die Staatskasse. Warum also die Tabaksteuererhöhung?
Scheel: Es gibt ja mehrere Begründungen. Neben dem Gesundheitsaspekt wollen wir durch die Tabaksteuererhöhung die so genannten versicherungsfremden Leistungen wie etwa das Mutterschaftsgeld aus den Kassenbeiträgen herausnehmen und steuerfinanzieren. Das ist strukturell vernünftig, auch wenn wir erst am Anfang sind.
Blickpunkt: Herr Meister, macht die Tabaksteuererhöhung auch in Ihren Augen Sinn - oder ist da viel blauer Dunst im Spiel?
Michael Meister: Es qualmt gewaltig! Was wir dringend brauchen, ist endlich wieder eine berechenbare Steuer- und Finanzpolitik. Wenn nach permanenten Beteuerungen rot-grüner Spitzenpolitiker, keine Steuern zu erhöhen, gleichsam über Nacht dann doch eine massive Steuererhöhung beschlossen wird, geht das natürlich zu Lasten von Berechenbarkeit und Vertrauen. Dann muss man sich nicht über Konsumzurückhaltung der Verbraucher wundern.
Blickpunkt: Aber ist der strukturelle Ansatz, bestimmte Leistungen statt aus Beiträgen über allgemeine Steuern zu finanzieren, nicht richtig? Zumal ja hohe Beitragssätze die Arbeitskosten belasten?
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Im Gespräch: Michael Meister... | ||||||||||
Meister: Es ist richtig, solche Leistungen über den Haushalt zu finanzieren. Das bedeutet aber nicht, dass man dafür die Steuern erhöhen muss. Wenn die Regierung versicherungsfremde Leistungen aus dem Steueraufkommen finanziert, habe ich überhaupt nichts dagegen. Mit Steuererhöhungen macht sie es sich aber zu leicht. Die passen überhaupt nicht in die gegenwärtige Landschaft.
Blickpunkt: Bleiben wir vorerst noch bei der gesundheitspolitischen Begründung der Steuererhöhung, nämlich Prävention. Ist die glaubhaft? Sorgt sich die Regierung wirklich selbstlos um die Raucher oder will sie doch nur schnöde ans Geld?
Scheel: Da schlagen zwei Herzen, wenn man ehrlich ist. Auf der einen Seite ist es natürlich gut, wenn mehr Menschen auf Zigaretten verzichten, auch angesichts der Folgekosten in Milliardenhöhe, die das Rauchen verursacht. Täglich sterben in Deutschland 350 Menschen an den Konsumfolgen. Auf der anderen Seite brauchen wir eben eine neue Finanzierung. Ich sage es ganz offen: Da wir im Haushalt keine Spielräume haben, halte ich die Erhöhung der Tabaksteuer trotz aller Problematik für richtig und sinnvoll.
Blickpunkt: Müsste Rot-Grün konsequenterweise nicht auch die Alkoholsteuer erhöhen? Denn Alkohol ist doch die Volksdroge Nummer eins.
Meister: Ich bin bereits bei der Tabaksteuer skeptisch. Denn es wird einen massiven Run in die Illegalität geben. Der Zigarettenschwarzmarkt wird weiter aufblühen. Insofern unterstützt Rot-Grün die Zigarettenmafia. Meine Vermutung ist, dass wir wie bei der Ökosteuer, die ja Umwelt und Rente retten sollte, auch bei der Tabaksteuererhöhung statt der doppelten Dividende eher ein doppeltes Problem bekommen. Deshalb halte ich auch nichts davon, nun auch noch Alkohol weiter zu besteuern. Das verschärft eher die Probleme, als sie zu lösen.
Blickpunkt: Was bringt denn die Tabaksteuererhöhung: gut vier Milliarden Euro, wie Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hofft, oder nur 2,5 Milliarden, wie aus dem Finanzministerium zu hören ist? Ist, wenn man auf immer weniger Raucher setzt, das Spielen mit der Tabaksteuer nicht eine Milchmädchenrechnung?
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...und Christine Scheel. | ||||||||||
Scheel: Hans Eichels Berechnungen sind die realistischeren. Wir werden nicht mehr als 2,5 Milliarden Euro einnehmen. Höhere Zahlen wären Luftschlösser. Es ist auch eine Illusion, zu glauben, dass mit der Tabaksteuererhöhung alle Probleme im Gesundheitsbereich gelöst wären. Um auf den gewünschten Beitragssatz von 13 Prozent zu kommen, müssen rund 20 Milliarden Euro durch Krankenkassenstrukturreformen umverteilt werden. Das kann man nicht mit einer - kleinen - Steuererhöhung bewerkstelligen, da müssen weitere strukturelle Veränderungen her.
Meister: Auch wir wollen die Beiträge und damit die Lohnnebenkosten senken. Aber doch nicht über Steuererhöhungen! Wenn man 20 Milliarden Euro bewegen will, muss man die Kraft und den Mut haben, diese gesamte Summe über Strukturreformen umzufinanzieren. Eine kurzfristige Steuererhöhung, die zudem noch auf wackeligen Füßen steht, hilft da wenig.
Blickpunkt: Das Markenzeichen von Hans Eichel und Rot-Grün war lange der rigide Sparkurs. Gerät der mit dem Sündenfall der Tabaksteuererhöhung nicht ins Rutschen?
Scheel: Keine Frage: Es ist ein Sündenfall, wenn auch ein kleiner. Aber Sie müssen die Rahmenbedingungen sehen: Hätten wir in den vergangenen Jahren nicht so rigide gespart, hätten wir jetzt ungefähr 35 Milliarden Euro mehr Schulden.
Meister: Versprochen haben Sie aber etwas anderes!
Scheel: Dass Sie das anders sehen, ist mir klar. Dennoch haben wir nie das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes aufgegeben. Den Schuldenberg, den die Kohl-Regierung aufgebaut hat, kann man nicht in so kurzer Zeit abbauen. Außerdem war die Einheit falsch finanziert - das ist heute das Problem der hohen Sozialversicherungsbeiträge.
Meister: Das sind doch nur Worte. In Wahrheit haben Sie, statt zu sparen, in den ersten Regierungsjahren die Ausgaben erhöht. An dieser Last, gut 60 Milliarden Euro, müssen wir nun tragen. Und da fallen Ihnen nur Steuererhöhungen ein! Die Tabaksteuerdiskussion ist ja nicht die erste. Wir haben eine Debatte um die Mehrwertsteuer, die Erbschaft- und die Vermögensteuer. Also: Sie haben nicht nur einen Sündenfall begangen, sondern leben permanent in Sünde.
Blickpunkt: Frau Scheel: Droht bald auch eine höhere Mehrwertsteuer?
Scheel: Ich halte das für falsch. In einer schwierigen konjunkturellen Situation wäre eine Mehrwertsteuererhöhung völlig kontraproduktiv. Deshalb halte ich die Debatte, die ja aus unterschiedlichen Lagern kommt, für schädlich. Wir Grüne wollen die Mehrwertsteuer nicht erhöhen.
Meister: Mal sehen, ob auch die Regierung zu dieser Aussage steht, da habe ich große Zweifel - siehe Tabaksteuererhöhung. Aber auch ich bin der Meinung: Eine Mehrwertsteuererhöhung löst in Wahrheit kein Problem, sondern vergrößert es, weil sie den Reformdruck herausnimmt. Deshalb ist es der falsche Ansatz. Wir müssen die Probleme an der Ausgabenseite anpacken.
Scheel: Richtig. Aber sehen das bei Ihnen alle so? Denn auch Unionspolitiker liebäugeln ja mit einer höheren Mehrwertsteuer, die die Bundesregierung ohnehin nur zusammen mit den Ländern, also der Union, in einer Art Großen Koalition durchsetzen könnte. Ich will nicht darauf wetten, dass dies in den nächsten Jahren nicht geschehen könnte.
Blickpunkt: Wenn nicht über neue Steuern, wie sollen dann die enormen Finanzlöcher gestopft werden?
Scheel: Bundesregierung und Länder sind sich im Prinzip einig, jetzt gemeinsam den Subventionsabbau anzugehen. Die Regierung hat seit 1999 die Finanzhilfen bereits um 30 Prozent abgebaut. Jetzt müssen wir auf diesem ohne Zweifel schwierigen Weg konsequent weiter gehen.
Meister: Daran werden wir konstruktiv mitwirken. Denn die Lage ist wirklich brisant. Aber wir müssen uns vorher über einen gemeinsamen Subventionsbegriff und über die Abbaumethode einigen. Wenn das gelingt, könnten wir vorhersehbare Widerstände gemeinsam überwinden.
Blickpunkt: Ist das ein Plädoyer für die Rasenmähermethode, also für eine generelle pauschale Kürzung?
Meister: Hauptsache, es ist ein klarer, nachvollziehbarer und gemeinsamer Methodenansatz.
Scheel: Richtig. Das ist die Voraussetzung. Hoffentlich hält sich die Union auch daran. Denn als wir die Eigenheimzulage kürzen wollten, die zweifellos eine steuervergünstigende Subvention ist, mit insgesamt zehn Milliarden Euro sogar eine der größten, ist dies am Widerstand der Union gescheitert.