Christoph Drösser, Chef von "Zeit-Wissen", will ein "anderes Wissensmagazin" produzieren, "eines, das sich nicht an wissenschaftliche Experten wendet, aber trotzdem Tiefe hat, das Wissen in moderner und unterhaltsamer Weise präsentiert". Patrick Illinger, Chefredakteur von "SZ-Wissen", hält dagegen: "Wir haben versucht, an vielem zu sägen. Auch an falschen Wahrheiten und an veralteten Versionen von Wissenschaftsjournalismus." Gemessen an diesen Ansprüchen, sind beiden moderne Magazine gelungen. Aufgeräumt, optisch ansprechend, flott geschrieben. Inhaltlich mangelt es ihnen allerdings bisweilen an genügend Trennschärfe.
Beide Hefte bieten intelligente Unterhaltung: "Zeit-Wissen" kredenzt vier feste Rubriken, von Gesundheit über Technik bis zu Wissenschaft und Leben, in die sich notfalls auch historische und Psycho-Themen packen lassen. Bei "SZ-Wissen" jongliert man Freihand. Auch Gedanken zu Kunst ("Skulpturen aus Plankton") und Architektur ("In Dubai entsteht ein 705-Meter-Koloss") gehören zum Themenspektrum. Ein bisschen Spaß muss sein: Während die Redaktion von "Zeit-Wissen" etwas respektlos Gegenstände wie Alufolie, Seife und CD's in der Mikrowelle explodieren lässt, zersägt "SZ-Wissen", nicht minder übermütig, eine Espressomaschine in der Mitte und erklärt ihre Funktion auf zwölf Zeilen. Und warum so viel Wissen? Beide Zeitungen haben in Lesebefragungen festgestellt, dass bei die Lesern die Wissensthemen zum Teil noch vor der Politik auf dem ersten Platz rangieren.
Der Trend, wissenschaftliche Themen quasi wie in einer Auto- oder Frauenzeitschrift aufzubereiten, kommt vom Fernsehen. Dort verbuchen Wissenssendungen wie "Galileo" (Pro7), "W wie Wissen" (ARD) oder "Wer wird Millionär" (RTL) seit längerer Zeit beträchtliche Einschaltquoten. "Wer wird Millionär" ist mit bis zu zehn Millionen Zuschauern der Abräumer schlechthin. So unterschiedlich im Ansatz diese Sendungen auch erscheinen, dienen sie als Vorbild für die Print-Titel insofern, als auch bei ihnen der Unterhaltungsfaktor und die bunte Aufmachung groß geschrieben werden. Vom Ideal eines gültigen Bildungskanons haben sie sich zugunsten modischer Zeitgeist-Themen verabschiedet.
Dagegen ist nicht viel zu sagen. Denn niemand weiß mehr so recht (mal abgesehen von schulischen Kernkompetenzen), was man noch definitiv wissen muss. Die Zeiten von Universalgelehrten, die das Wissen ihrer Epoche noch überschauten, sind längst passé. Spezialisierung ist seit langem gefragt. Alle Versuche, einen Wissenskanon der Gegenwart zu definieren, wirken unvollkommen - angesichts der angeblichen Verdopplung des gesamten Weltwissen alle fünf Jahre - aussichtslos. Aus diesem Grund ist es wichtiger geworden zu wissen, wie man eine Information bekommt, findet oder recherchiert, als das Wissen selbst parat zu haben.
Bei der Suche nach den wichtigen und richtigen Informationen sind Internet-Suchmaschinen unersetzbar geworden. Ohne Suchmaschinen könnte sich kein Nutzer im Informationsdi-ckicht und im Gewirr der abermilliarden Webseiten zurechtfinden. Als Synonym für die Internet-Suche gilt Google. Allein in Europa "googeln" über 55 Millionen Surfer regelmäßig. Täglich gehen mehr als 200 Millionen Suchanfragen bei der Suchmaschine ein. 30.000 dezentral vernetzte Rechner bearbeiten den Wust an ständiger Neugierde, die innerhalb von Millisekunden befriedigt wird. Nach firmeneigenen Angaben sind derzeit 4,28 Milliarden Webseiten bei Google verzeichnet. Hinzu kommen 880 Millionen Bilder in einer separaten Datenbank sowie 650 Millionen Privatnachrichten aus den Newsgroups. Neuerdings ist aber auch Google im Markt der Wissenschaft vertreten: Die Datenbank "Scholar" soll die weltweiten Wissenschaftspublikationen online zugänglich machen. Experten schätzen, dass damit etwa die Hälfte des Internets abgedeckt ist, welches aus zehn Milliarden HTML-Seiten bestehen soll.
Der Erfolg der seit 1998 existierenden Suchmaschine kann sich folglich sehen lassen. Kritiker sprechen indessen von einem Monopol. Sie beklagen die Dis-kursmacht, die Suchmaschinen wie Google gewonnen haben. Dadurch, dass sie darüber entscheiden, was im Internet auffindbar ist und was nicht, lenken sie die Aufmerksamkeit des Nutzers und erlangen eine außerordentliche kulturelle wie auch ökonomische Bedeutung. Einer Umfrage zu Folge beachten drei Viertel aller Surfer lediglich die erste Seite der von Suchmaschinen ausgespuckten Trefferliste. Dass kommerzielle Anbieter genau dort auftauchen wollen, kann wenig erstaunen. Schließlich hängt ihr Wohl und Weh von diesem Ranking ab. Dessen Zustandekommen ist allerdings nicht ausreichend transparent. Bei Google bestimmen die Zahl der Querverweise auf eine Webseite deren Ranking in der Trefferliste. Bei anderen Suchmaschinen können sich kommerzielle Anbieter bisweilen auch in die Reihenfolge einkaufen.
Ohnehin findet das blinde Vertrauen, das in Internet-Suchmaschinen gesetzt wird, immer weniger Beifall. Als an der Hamburger Journalistenschule einmal der Internetzugang ausfiel und auf konventionelle Weise in anderen Datenbanken recherchiert werden musste, war das vielen Teilnehmern vollkommen fremd. Auch Studenten, so klagen Professoren bereits, seien immer seltener in der Uni-Bibliothek anzutreffen. Aus Bequemlichkeit googeln sie lieber zu Hause und verlassen sich auf die Fundstücke aus dem Internet, die sie oft genug bloß reproduzieren. Dabei ist nur ein Bruchteil des wissenschaftlichen und journalistischen Wissens im Internet vorhanden. Doch was sich bei Google nicht finden lässt, so die bequeme Logik, existiert dann eben einfach nicht.
Auch die Zuverlässigkeit der Informationen aus dem Netz ist umstritten. Brauchbares Wissen liegt dort nicht in jedem Fall vor. Am Beispiel des Online-Lexikons "Wikipedia", einem Open-Source-Projekt, an dem jeder mitschreiben kann, hat sich eine hitzige Diskussion über die Vertrauenswürdigkeit der dortigen Informationen entzündet. Weil eine Kontrollinstanz fehlt und jeder die lexikalischen Einträge fortschreiben kann, gilt Wikipedia vielen als unseriös. Doch was ist gesichertes Wissen? Normalerweise entscheidet eine Gesellschaft in mühevollen Kanonisierungsprozessen darüber. Die wiederum verlaufen immer kurzfristiger, weil Wissen schnell veralten kann. Darunter haben nicht zuletzt die großen Lexikon-Verlage mit ihren schwergewichtigen Bänden zu leiden. Zeitschriften haben es da einfacher: sie müssen keine letzten Wahrheiten liefern.