Rede von Dr. Jürgen Meyer im Europäischen Konvent am 11. Juli 2002
Herr Präsident! Sie haben uns und auch den Jugendkonvent mehrfach aufgefordert, mutig zu sein, Visionen zu entwickeln und auch Europa zu träumen. Deshalb will ich an den Satz erinnern, mit dem der amtierende deutsche Außenminister, Joschka Fischer, sein Amt angetreten hat - er hat erklärt, er wolle daran arbeiten, sein Amt als nationaler Außenminister überflüssig zu machen. Nun, ist das sicher eine Vision, die weit vorauseilt. Aber in der Politik kommt es ja häufig darauf an, dass auch kleinere Schritte in die richtige Richtung weisen. Deshalb verdient nach meiner Überzeugung der Vorschlag der Personalunion zwischen den Ämtern von Solana und Patten, wie ihn auch meine Kollegen Peter Glotz und Elmar Brok vorgestellt haben, nachhaltige Unterstützung.
Die Menschen, für die wir hier arbeiten, erwarten, dass Europa in Krisen, die die Welt erschüttern, wie etwa im Nahen Osten, mit einer Stimme spricht. Sie erwarten das auch bei der Bekämpfung des Terrorismus, und ich hoffe, dass das so bleibt, wenn es um die Forderung nach dem internationalen Strafgerichtshof geht, einer ganz wichtigen Forderung nicht nur Europas, sondern vieler anderer Länder. Aber wenn man dieses fordert und auf der anderen Seite auf Souveränität pocht, dann sollte man doch bitte bedenken, dass es zum einen bei den Beispielen, die ich genannt habe, immer auch um europäische Interessen geht, und zum anderen muss man sich doch wenigstens fragen, ob eine wirkungsvolle Durchsetzung nationaler Interessen tatsächlich aussichtsreich ist, wenn man alleine auftritt, statt mit einer europäischen Stimme und entsprechender Unterstützung zu sprechen. Im deutschen Bundestag, das wird niemanden überraschen, treten wir ein für eine schrittweise Vergemeinschaftung der gemeinsamen Außenpolitik, wie sie unter anderem der Kollege Lamassoure eben skizziert hat. Wir sind für die parlamentarische Kontrolle einer integrierten gemeinsamen Außenpolitik, die vom Europäischen Parlament wahrgenommen werden soll. So lange und so weit der intergouvernementale Charakter der Außenpolitik fortbesteht, bedarf diese der Kontrolle durch die nationalen Parlamente in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament.
Etwas besonderes, da hatte die Kollegin Gisela Stuart eben völlig recht, gilt aus unserer Sicht für militärische Einsätze, bei denen nationales Verfassungsrecht zu beachten ist. Deshalb sagen wir, europäische Außenpolitik sollte künftig im Rat mehrheitlich entschieden werden können. Bei Militäreinsätzen wird es immer, wie Kollege Brok das formuliert hat, um eine coalition of the willing gehen. Wir sind für eine Verbesserung der gemeinsamen Außenvertretung der Europäischen Union durch ein europäisches diplomatisches Corps. In dem Zusammenhang sind wir für den ganz praktischen Vorschlag einer Intensivierung des Personalaustauschs zwischen Mitgliedstaaten und den für die GASP zuständigen EU-Strukturen im Rat und der Kommission.
Eine letzte Bemerkung zu der Frage 2, die uns das Präsidium vorgelegt hat, nämlich zu der Frage der Entwicklung von Gemeinsamkeiten und der Abstimmung in der Entwicklungspolitik. Der deutsche Bundestag ist für eine stärkere Verzahnung aller für die zivile Krisenprävention notwendigen Politikbereiche, also neben der Außen-, der Entwicklungs-, der Finanz- und der Migrationspolitik. Wir meinen, dass das eben nur europäisch geleistet werden kann, durch europäische Planungskonzepte unter Einbeziehung der Kommission und des Europäischen Parlaments. Mich hat eben sehr gefreut, dass die Kollegin Tiilikainen, meine Vorrednerin, auch davon gesprochen hat, dass wir Grundwerte haben, die wir auch nach außen offensiv vertreten sollten. Wir bekennen uns in der Grundrechtecharta zur Solidarität. Das hat ja auch, wie wir wissen, mit Entwicklungspolitik zu tun. Deshalb sage ich, es ist schön, wenn wir in der wirtschaftlichen Außenvertretung dafür sorgen, dass wir zum Beispiel Autos exportieren. Aber wir sollten uns auch gemeinsam darum bemühen, unsere europäische Werteordnung zu exportieren.