"Wie ein Flug zum Mond"
"Hätte mir vor ein paar Monaten jemand gesagt, dass ich heute in Berlin sitze und am Internationalen Parlaments-Stipendium teilnehme, dann hätte ich ihm das nicht geglaubt." Roman Tschujanow schüttelt ungläubig mit dem Kopf, so als wäre er immer noch nicht davon überzeugt, dass er tatsächlich zum Stipendiatenkreis des Programms gehört. Dass sein Foto anlässlich der Ausstellung "Der Deutsche Bundestag: Wie wir ihn sehen" auch noch mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, hat ihn überwältigt.
In der "Werkstatt Politik" zu experimentieren
Im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) absolviert Roman seit März eine mehrmonatige Hospitanz bei der CDU-Abgeordneten Marie-Luise Dött. Als Assistent unterstützt er sie beispielsweise bei der Organisation von Besucherprogrammen oder bei Recherchen für Anträge und Tagesordnungen. Er begleitet sie auch zu Sitzungen und in den Wahlkreis. Wie 96 andere Kollegen aus 21 Ländern hat er dadurch Gelegenheit, das parlamentarische Regierungssystem Deutschlands kennen zu lernen und in der "Werkstatt Politik" zu experimentieren.
"Bilder unserer selbst"
Ihre Eindrücke, die die Stipendiaten während ihres Stipendiums gewonnen haben, werden nun in einer Ausstellung gezeigt, die am 22. Juni von Bundestagspräsident Norbert Lammert eröffnet wurde. Unter dem Motto "Der Deutsche Bundestag: Wie wir ihn sehen" geben die Amateurfotografen ihre sehr persönliche Sichtweise des politischen Alltags in Berlin wieder. "Die Bilder verändern unsere gewohnte Betrachtungsperspektive und lassen uns Vertrautes neu ins Auge fassen", sagte Lammert, der auch Schirmherr des Stipendiumprogramms ist. "Die Fotos sind Projektionen unserer Erwartungen, Hoffnungen und Ängste", kommentiert Gabriela Ghindea aus Rumänien die Ausstellung aus Sicht der Stipendiaten. Sie fügt hinzu: "Es sind Bilder unserer selbst." Und der Unionsabgeordnete Wolfgang Börnsen, der das IPS koordiniert, spricht von einem "besonders schönen Geschenk" der Stipendiaten zum 20-jährigen Jubiläum des Programms.
Besucherfreundlichkeit des Parlaments
Die drei besten Fotografien wurden bei der Eröffnung prämiert. Der Kurator der Ausstellung, Fotograf Andreas Rost betont, wie schwer es der Jury gefallen sei, die Gewinner auszuwählen. "Es ist erstaunlich, wie die Teilnehmer die Aufgabe gelöst haben, das Tagesgeschäft im Bundestag abzubilden." Den dritten Preis erhielt Dora Gyarfas aus Ungarn. Ihr Foto zeigt zwei Rollstuhlfahrer in einem der unterirdischen Gänge der Bundestagsgebäude. Es war entstanden, als sie mit einer behinderten Besuchergruppe "ihres" Abgeordneten Willi Zylajew (CDU) unterwegs war. Von der Besucherfreundlichkeit des Parlaments sei sie einfach beeindruckt gewesen. Olga Bramnik aus Russland wurde mit dem zweiten Preis bedacht. "Das Foto ist ganz spontan entstanden, als ich eines Tages die Besucherschlange vor dem Reichstag sah." Ihr Motiv schildert, was multikultureller Alltag in Deutschland, bedeutet - und zwar in all seinen Facetten.
Fototaugliche Reflexion
Romans Siegerfoto zeigt das Reichstagsgebäude im Spiegel einer schwarzen Limousine. Lange hatte er auf einen geeigneten Moment warten müssen, um im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Der regenreiche Frühling hatte eine fototaugliche Reflexion des Reichstagsgebäudes auf der Motorhaube einfach nicht zugelassen. Einen Mercedes habe er absichtlich ausgewählt: "Der Mercedes-Stern und Deutschland, das gehört einfach zusammen." Ursprünglich hatte er gleich mehrere Fotos eingereicht, allerdings nicht damit gerechnet, dass eines davon für die Ausstellung ausgewählt würde. Jetzt kann er es kaum fassen, dass er für sein Bild den ersten Preis bekommen hat.
Junge Demokratie unterstützen
Ohnehin sei es für ihn eine große Ehre gewesen, dass er für das Stipendium ausgewählt wurde. "Das war für mich wie ein Flug zum Mond", schwärmt er. "Wirklich, das sind keine hohlen Worte", beteuert er in gleichem Atemzug. Seine Begeisterung wird von vielen seiner Mitstipendiaten geteilt. "Das Stipendium gibt uns die Chance, den politischen Prozess hautnah zu erleben und politische Mechanismen besser zu begreifen", schildert Gabriela Ghindea die Vorzüge aus ihrer Sicht. "Ich habe viel gelernt und viel erlebt", versichert auch Samir Hadzic aus Bosnien-Herzegowina. Während des Bosnienkrieges hatte er bereits einige Jahre in Deutschland verbracht und war in Bayreuth zur Schule gegangen. Seit er nach Kriegsende zurückkehren musste, war es immer sein Wunsch gewesen, Deutschland wieder zu besuchen. Nun hofft er, dass er mit den Erfahrungen, die er von hier mitnimmt, die junge Demokratie in seinem Land unterstützen kann.
Austausch zwischen jungen Parlamentarien
Für Deutschland - so Bundestagspräsident Lammert - biete das IPS in diesem Jahr eine besonders gute Gelegenheit, sich über das sportliche Ereignis der Fußball-Weltmeisterschaft hinaus als guter Gastgeber zu präsentieren. Es könne sich dadurch als weltoffenes, fröhliches, freundliches und begeisterungsfähiges Land zeigen. Den unmittelbaren Austausch, vor allem zwischen jungen Parlamentarien, hält Lammert für besonders wichtig, da dieser die Entwicklung guter Beziehungen zu den Partnerländern fördere. Auch Börnsen unterstreicht: "Das Programm schafft Bindungen für die Zukunft und führt zur Verständigung zwischen den Bevölkerungen unterschiedlicher Länder." Er freue sich daher, wenn im kommenden Jahr sogar 25 Länder am IPS-Programm teilnehmen würden.
Eine solche Erweiterung wird auch vom Schirmherrn Lammert unterstützt, der gleichzeitig bedauert: "Schade, dass ich nicht selber Gelegenheit hatte, in einem ähnlichen Alter ein solches Programm zu absolvieren."