Waltraud Schoppe (Bündnis 90/ Die Grünen)
Was war während Ihrer Mitgliedschaft im
Bundestag der spannendste und aufregenste Moment?
Als ich schüchtern meine 2. Rede hielt und über Sexismus
berichtete, schlugen sich die Männer, besonders der CDU , mit
den Händen auf die Schenkel. Ich dachte, ich sei in einer
Dorfkneipe. Heute sind die Männer allgemein über Fragen
der Geschlechterpolitik gebildeter.
Was kann der einzelne Abgeordnete
politisch erreichen?
Erreichen kann die/der einzelne Abgeordnete viel, wenn sie/er
hartnäckig ist, wenig eigenbrötlerisch und den
Entwicklungen des Umbruchs nach 1989 mit offenen Augen und Herzen
gegenübertritt. Wer die Kunst, den Kompromiß zu
gestalten, beherrscht und ihn als Instrument der Demokratie
begriffen hat, wird mit sich und seiner Arbeit zufrieden sein.
Erinnern Sie sich noch an eine besondere
parlamentarische Anekdote?
Einmal waren wir mit einer grünen Delegation in Prag. Es
sollte ein Gespräch mit Vaclav Havel geben. Leider blieb mein
Taxi im Stau stehen. Ich kam auf der Burg an, raste die Treppe
rauf, und die Tür zu Vaclav Havels Zimmer hatte sich gerade
hinter ihm und der Delegation geschlossen. Die Sekretärin war
nicht dazu zu bewegen, mich noch einzulassen. Vor der Tür
standen zwei Sicherheitskräfte, die meine dringliche Bitte
einzutreten damit beantworteten, daß sie näher
aneinander rückten. Während hinter der Tür Vaclav
Havel und die Delegation die neue Weltordnung gestalteten,
unterhielt ich mich mit der Sekretärin und zwei
Reinmachefrauen über die Frage, woher etwas fülligere
Frauen die Schittmusterbögen für pfiffige, moderne
Klamotten bekommen.
Wurden Ihnen Abgeordnete anderer
Fraktionen zu wirklichen Freunden oder Freundinnen?
Ich achte einige Kolleginnen auch aus anderen Fraktionen sehr, und
manche sind mir richtig ans Herz gewachsen. Ich mag nun mal eben
die Art, wie Frauen die Welt analysieren und sie gestalten wollen,
sehr. Da ich nicht mehr in den Bundestag zurückkehren
möchte, werden sie mir fehlen.
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