BUNDESTAG VERABSCHIEDETE GESETZ Kapitalentschädigung für ehemalige politische Häftlinge der DDR erhöht(nl) Der Bundestag hat am 26. November die Kapitalentschädigung für ehemalige politische Häftlinge in der DDR auf einheitlich 600 DM pro Haftmonat angehoben. Bisher wurden 300 DM für im Westen und 550 DM für im Osten lebende ehemalige Häftlinge gezahlt. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR ( 14/1805) nahm das Parlament in der vom Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder am 24. November geänderten Fassung ( 14/2188, 14/2204) einstimmig an. Der Ausschuss hatte einvernehmlich für den Entwurf votiert, der die Antragsfristen in den bestehenden Rehabilitierungsgesetzen um zwei Jahre bis Ende 2001 verlängert. Wer bereits eine Kapitalentschädigung erhalten hat, kann mit einer Nachzahlung rechnen. Die Kosten aufgrund der erhöhten Kapitalentschädigung belaufen sich auf 380 Millionen DM, von denen der Bund den Ländern 65 Prozent erstattet. Die Hinterbliebenen von Hingerichteten, in der Haft Verstorbenen und von Maueropfern sollen von der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge Leistungen erhalten, ohne dass wie bisher auf ihre wirtschaftliche Situation abgestellt wird. Stiftungsfonds aufgestocktDie Mittel der Stiftung werden in den Jahren 2000 bis 2005 aus dem Bundeshaushalt von 300.000 DM jährlich auf 1,5 Millionen DM erhöht, um auch verschleppten Zivilisten aus den ehemaligen Ostgebieten Unterstützung zu gewähren. Die aus Stiftungsmitteln gezahlten Leistungen werden nicht auf Sozialleistungen angerechnet. SPD und Bündnis 90/Die Grünen appellierten an die Länder, dafür zu sorgen, dass der Bezug von Sozialhilfe nicht vom Einsatz eines aus der Kapitalentschädigung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz gebildeten Vermögens abhängig gemacht wird. Was die bei der Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes aufgetretenen Probleme bei der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden angeht, schloss sich der Ausschuss einem Appell der Regierung an die Länder an, alle Ablehnungsfälle von Amts wegen zu überprüfen. Keine Mehrheit fanden im Ausschuss Änderungsanträge der CDU/CSU. Danach sollten verfolgte Schüler auf Antrag Ausgleichsleistungen in Höhe von 300 DM monatlich (Bezieher gesetzlicher Rente 200 DM) erhalten. Ferner sollten alle Einkommensgrenzen bei der Zahlung von Ausgleichsleistungen wegfallen. Die Fraktion plädierte ebenso dafür, die Antragsfristen bis Ende 2002 zu verlängern, und bemängelte, dass die bisherige Regelung zur Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden unzureichend sei. Daher sollte eine "Vermutungsregelung" eingeführt werden, wonach ein ursächlicher Zusammenhang dann gegeben sein soll, wenn nicht "unzweifelhaft feststeht", dass die Gesundheitsstörung nicht Folge einer Haftschädigung ist. In einem Entschließungsantrag äußerte die CDU/CSU die Erwartung, dass Sozialhilfe nicht vom Einsatz einer gezahlten Kapitalentschädigung für politische Häftlinge abhängig gemacht wird, sondern regelmäßig eine "Härte" im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes angenommen wird. In einem weiteren Entschließungsantrag ( 14/2205), der im Plenum abgelehnt wurde, forderte sie die Regierung auf, bis zum 17. Juni 2000 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Opfern eine Verfolgtenrente gewährt, wobei auch die verfolgten Schüler einzubeziehen seien. Dies war auch ein Anliegen der F.D.P., die in einem abgelehnten Entschließungsantrag ( 14/2191) verlangt hat, eine Opferpension zu zahlen. Voraussetzung sollten mindestens drei Jahre Haft sein. Sachverständige gehörtDie PDS plädierte in einem Änderungsantrag ( 14/2190), der abgelehnt wurde, für eine Nachzahlung der Kapitalentschädigungen "von Amts wegen". Abgelehnt wurde ebenso der als Alternative gedachte Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Verbesserung der beruflichen Rehabilitation der Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet ( 14/1001). Einen Antrag der Koalition zur Verbesserung der SEDUnrechtsbereinigungsgesetze ( 14/1165) erklärte der Bundestag für erledigt. Den Beratungen vorausgegangen war eine öffentliche Anhörung des Ausschusses am 19. November. Darin hatten Vertreter von Verbänden der Opfer politischer Verfolgung in der DDR das Vorhaben der Bundesregierung begrüßt. Angelika Barbe vom Bürgerbüro (Verein zur Aufarbeitung der SEDDiktatur) befürwortete die Einführung einer Verfolgtenrente ("Ehrenpension") von 1.400 DM. Von den Leistungen sollten auch die verfolgten Schüler und die Verschleppten aus den ehemaligen Ostgebieten profitieren. Jörg Büttner vom Bund der Stalinistisch Verfolgten in Deutschland beklagte, dass Erschwernisse und Barrieren zu überwinden seien, um Leistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zu erhalten. Peter Eisenfeld von der Arbeitsgruppe "Initiative Rechtshilfe" schlug vor, Personen, die in der Folge politischer Verfolgung den Freitod wählten, in den Regierungsentwurf einzubeziehen. "Moralische Anerkennung"Gerhard Finn, Vorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft, wies darauf hin, dass keine Bundesregierung berechtigte Forderungen von Opfern der NSDiktatur mit der Begründung zurückgewiesen habe, der Staat habe kein Geld. Die Regierung sollte daher nicht mit Kosten argumentieren. Diese Position vertrat auch der Vorsitzende der Hilfsorganisation für die Opfer politischer Gewalt in Europa (HELP), Alexander Hussock. Der Bürgerrechtler Rainer Hennig stellte fest, dass der Regierungsentwurf einige Opfer bei Leistungen der Rehabilitierung ausschließt. Positiv bewertete ihn der Vorstandsvorsitzende der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge, Heinz Lehmann, weil er auch eine "moralische Anerkennung" für die Opfer darstelle. Klaus Schmidt, Bundesvorsitzender der Opfer des Stalinismus, beklagte, viele ehemalige Inhaftierte würden damit rechnen müssen, dass ihre gesundheitlichen Haftschäden auch weiterhin nicht anerkannt werden, weil sie sich die für den Nachweis notwendigen Atteste nicht ausstellen lassen konnten. |